Dracula, my love
dass du diesen Ort nicht verlassen wirst, Mina , befahl mir Dracula in meinen Gedanken.
Das werde ich tun, wenn du mir versprichst, dass niemandem etwas geschieht.
Ich habe es dir schon gesagt: Von meiner Hand wird deinen Männern nichts zustoßen, aber das ist alles, was ich dir schwören kann.
Was meinst du?, dachte ich erschrocken.
Die Zigeuner haben sich einverstanden erklärt, deine Engländer am Leben zu lassen, es sei denn, sie müssen sich verteidigen. Aber sie sind Zigeuner und alle bewaffnet. Die Handlungen so vieler Menschen kann ich nicht vorhersagen.
Diese Nachricht erfüllte mich mit unaussprechlicher Furcht. Wo bist du jetzt? Wo ist Jonathan?
Schau hin.
In der Ferne meinte ich eine Bewegung zwischen den Bäumen auszumachen. „Herr Professor, wo ist Ihr Feldstecher?“
Dr. van Helsing nahm sein Fernglas aus dem Koffer und suchte den Horizont ab. „Da! Frau Mina, sehen Sie!“, rief er plötzlich, während er mir das Glas reichte und aus der Höhle hinaus deutete.
Mit Hilfe des Fernstechers konnte ich eine Gruppe berittener Männer erkennen, die ein wenig unterhalb von uns eine Straßenbiegung umrundeten und in unsere Richtung kamen. Ihre Kleidung wies sie als Zigeuner aus. Es mussten die Männer sein, von denen Dracula gesprochen hatte. In ihrer Mitte hatten sie einen langen Leiterwagen, der auf der unebenen Straße von einer Seite zur anderen schwankte. Auf dem Wagen befand sich eine große, viereckige Kiste, ähnlich derjenigen, die in Draculas Kapelle in Carfax gestanden hatte.
Aufgeregt sagte der Professor: „Sehen Sie, Frau Mina? Es ist genau die Kiste, die wir seit dem Tag verfolgen, an dem sie den Londoner Hafen verlassen hat. Das schreckliche Wesen, das wir suchen, ist hier gefangen!“
Dr. van Helsing konnte keinerlei Verdacht hegen, dass die Begegnung, die wir nun miterleben würden, eigens für ihn inszeniert war. Mit einem hatte er jedoch recht: Dracula befand sich in der Kiste. Mein Puls raste, als ich in die untergehende, aber immer noch sichtbare Sonne starrte. Nicolae hatte gesagt, dass er im Vollbesitz seiner Kräfte sein musste, weil sonst seine List fehlschlagen würde - und es war immer noch heller Tag!
Mir stellten sich die Nackenhaare auf, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben. Diese Szene erinnerte mich an den Traum, den ich vor einigen Wochen gehabt hatte, den Traum, in dem es zu einer schrecklichen Schlacht gekommen war, in deren Verlauf einer der fünf Männer getötet wurde. „O nein!“, entfuhr es mir leise.
Voller Angst kehrte ich zum Professor zurück, nur um zu entdecken, dass er auf dem Felsen, auf dem ich stand, einen weiteren Kreis um mich gezogen hatte, den er mit geweihten Hostien bestreute.
„Ist das notwendig?“, rief ich.
„Ja. Ganz gleich, was geschieht, hier sind Sie vor ihm sicher.“ Dr. van Helsing nahm mir das Fernglas aus der Hand und suchte das gesamte Terrain ab, ehe er in besorgtem Ton hinzufügte: „Wo sind unsere Freunde? Wenn sie nicht rasch kommen, ist alles verloren! Die Sonne sinkt schnell. Bei Sonnenuntergang kann dieses Ungeheuer jede Gestalt annehmen, die es will, und allen Verfolgern entkommen.“
Ich hoffte, dass genau das geschehen würde. Nach einer kleinen Pause rief jedoch der Professor laut: „Ich sehe zwei Reiter von Süden kommen, die sich durch den Wald auf den Wagen zubewegen. Schauen Sie nur! Wer ist es, glauben Sie?“
Er reichte mir rasch den Feldstecher. Aus dieser Entfernung war es unmöglich, auszumachen, wer die Reiter sein mochten, aber ich erwiderte, ich glaubte, es könnten Dr. Se- ward und Herr Morris sein. Nun wurde das Geheul der Wölfe immer lauter, und es erfüllte mich mit Bangigkeit. Ich suchte mit dem Fernglas die gesamte Umgebung ab und konnte dunkle Punkte erkennen, die sich vereinzelt oder in größeren Gruppen auf uns zubewegten und um das Zentrum der Handlung zu scharen schienen.
„Wölfe!“, rief ich voller Schrecken.
Freunde , erwiderte Dracula in meinen Gedanken.
„Sie sammeln sich, sind wohl lüstern auf Beute“, antwortete Dr. van Helsing grimmig.
Jetzt erblickte ich die beiden anderen Männer, die auf dem nördlichen Abschnitt der Straße mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den Wald geprescht kamen und sich auf die Zigeuner und den rumpelnden Leiterwagen zubewegten. Den Ersten erkannte ich; es war mein Ehemann. Bitte, Gott, betete ich, lass nicht zu, dass Jonathan oder sonst jemandem etwas geschieht.
Lass Gott aus dem
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