Dracula, my love
er wohnte, war es mir nicht einmal möglich gewesen, ihn von meinen Reiseplänen in Kenntnis zu setzen.
Es ist alles zum Besten, sagte ich mir, während das sanfte Schaukeln des Zuges mich an den Rand des Schlafes wiegte. Du fährst zu Jonathan, dem Mann, den du liebst und heiraten wirst. Er braucht dich. Du darfst jetzt nur an ihn denken.
Während jener endlosen Zugfahrt hatte ich einen lebhaften Traum, den ich niemals vergessen werde.
Er begann außerordentlich schön. Ich befand mich im Brautzimmer einer Kirche - wo sie lag, konnte ich nicht feststellen -, und es war mein Hochzeitstag. Lucy in ihrem Brautjungfernkleid aus blassblauer Seide sah lieblicher denn je aus und half mir beim Ankleiden. Ich stand vor einem Spiegel und schaute verwundert auf den Anblick, der sich mir bot.
„Mina, wie du strahlst!“, begeisterte sich Lucy.
Ich strahlte wirklich. Mein braunes Haar war mit perlenbesetzten Nadeln elegant hochgesteckt. Ich trug ein herrliches Brautkleid aus reinweißer Seide mit wunderbaren, weit gebauschten Ärmeln, langen, mit Perlen besetzten Manschetten und einem eng anliegenden Mieder, das mit weißer Spitze und Perlen verziert war.
„Ich habe dir ja gesagt, dass Weiß die richtige Farbe für dich ist“, fügte Lucy mit einem triumphierenden Lächeln hinzu.
Drei andere gute Freundinnen aus Schulzeiten waren gekommen und trugen ähnliche Brautjungfernkleider wie Lucy. Alle machten sich eifrig zu schaffen, damit alles bereit war.
Frau Westenra nahm die Perlenkette ab, die sie stets um den Hals trug, und bot sie mir an. „Ich wünsche mir, dass Sie diese Kette heute tragen, meine Liebe. Sie soll Ihnen Glück bringen“, sagte sie lächelnd. „Ich habe sie vor vielen, vielen Jahren bei meiner eigenen Hochzeit getragen, und Edward und ich waren stets so glücklich miteinander.“
Dankbar gestattete ich Frau Westenra, mir ihre Perlenkette um den Hals zu legen.
„Es ist Zeit!“, rief Lucy und küsste mich auf die Wange, während sie und die anderen jungen Frauen mir den langen, durchscheinenden Brautschleier über das Haar breiteten.
Unsere Freundin Kate Reed, eine schwarzhaarige Schönheit, die ich seit meinem ersten Schultag kannte und liebte, legte mir einen duftenden Strauß von Orangenblüten in den Arm. „Nun geh, liebe Freundin“, sagte sie, „und heirate!“
Als ich die Kirche, ein großartiges, majestätisches Gotteshaus, betrat, hörte ich Musik und sah Herrn Hawkins, der für mich beinahe wie ein Vater war, neben der Tür stehen und mit einem Lächeln auf seinem runzeligen Gesicht auf mich warten. Ich wollte gerade seinen Arm nehmen und mit meinen Brautjungfern im Gefolge die Prozession zum Alter anführen, als mir plötzlich ein aufrührerischer Gedanke durch den Kopf schoss: Warum sollte ich eigentlich der Tradition folgen? Ich war doch eine moderne, eine neue Frau, oder nicht? Warum sollte ich nicht alles anders machen?
Ich wandte mich zu Lucy und meinen Brautjungfern und sagte leise: „Geht ihr voraus. Ich gehe als Letzte hinein, in eurem Kielwasser.“
Lucys Augen weiteten sich überrascht. Dann flüsterte sie: „Wie wunderbar, Mina! Dann bist du das großartige Finale und ziehst alle Aufmerksamkeit auf dich. Ich glaube, so mache ich das bei meiner Hochzeit auch.“
Also gingen Lucy und die anderen jungen Frauen, immer zwei nebeneinander, vor mir her den Mittelgang entlang. Während ich ihnen am Arm von Herrn Hawkins folgte, überkam mich große Freude. Denn durch meinen beinahe durchsichtigen Schleier hindurch konnte ich sehen, dass all meine Lieblingsschülerinnen und Kolleginnen gekommen waren. Alle lächelten und verrenkten sich die Köpfe, um mich anzuschauen. Obwohl sie bereits ein Jahr tot war, saß Jonathans liebe Mutter unter der festlichen Menge, was mir große Freude bereitete und keineswegs seltsam erschien. Der Geistliche stand am blumengeschmückten Altar. Jonathan wartete auf mich, neben ihm sein Trauzeuge. Merkwürdigerweise war das Lucys Verlobter Arthur Holmwood, den Jonathan erst einmal vorher gesehen hatte. Beide Männer wirkten groß und schmuck in ihren dunkelblauen Gehröcken und hellgrauen Hosen, mit dem sorgfältig gekämmten Haar und den ernsten Mienen.
Auf die Bitte des Geistlichen hin übergab Herr Hawkins mich an Jonathan. Ich nahm den Arm meines Bräutigams, und wir knieten zusammen an der Kommunionbank nieder. Der Geistliche, der die Trauung vollzog, sprach zunächst sehr schnell in einer Sprache, die ich nicht verstand. Dann redete er
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