Dracula, my love
vermissen“, erwiderte Frau Westenra mit einem liebevollen Lächeln. „Nun reisen Sie zu Ihrem zukünftigen Ehemann. Grüßen Sie ihn ganz herzlich von mir.“
Lucy und ich sagten einander am Bahnhof von Whitby Adieu, versprachen einander, oft zu schreiben und alle Neuigkeiten mitzuteilen.
„Pass gut auf dich auf, meine Liebe“, sagte ich, während wir uns zum Abschied umarmten und küssten. „Ich weiß, dass du deiner Mutter zuliebe so tust, als ginge es dir prächtig, aber versprich mir, dass du einen Arzt rufst, wenn es morgen nicht besser geworden ist.“
„Ich verspreche es. Grüße Jonathan von mir. Sag ihm, er soll schnell wieder gesund werden.“
„Das mache ich. Gib Arthur einen Kuss von mir. Ich hab dich lieb“, sagte ich, während ich sie noch einmal umarmte, ehe ich in den Zug stieg.
„Ich hab dich auch lieb“, erwiderte Lucy und warf mir einen Handkuss zu. „Adieu!“
Als ich schon längst meinen Fensterplatz eingenommen hatte, sah ich Lucy immer noch auf dem Bahnsteig stehen, mir hinterherwinken, lustige Grimassen schneiden und lächeln, bis der Zug aus dem Bahnhof fuhr.
Die North Eastern Railway brachte mich nach Scarborough, wo ich in einen Zug nach Kingston on Hull umstieg. Dort ging ich an Bord eines Schiffes, das Kurs auf Deutschland nahm. Es war meine erste Seereise, und zunächst fand ich alles sehr aufregend. Wie fröhlich es doch auf einem Dampfer zugeht, der sich auf große Fahrt vorbereitet! An Deck wimmelte es vor Passagieren, Männern und Frauen, von denen viele sehr fein gekleidet waren. Ich fand, dass die prächtigen Umgänge, dass die Blumenhüte und dunklen Seidenkleider der Damen allerdings besser für einen Spaziergang im Park oder auf einer Promenade geeignet schienen als für das Deck eines Frachtdampfers.
Als das Schiff aus dem Hafen auslief, stand ich an der Reling und atmete genüsslich in tiefen Zügen die frische Seeluft ein. Ich erfreute mich am Anblick der Wogen der Nordsee, der Seevögel auf den Wellenkämmen, der weißen Segel in der dunkleren Ferne und des ruhigen, wolkenverhangenen Himmels. Sobald wir das offene Meer erreicht hatten, wurde ich jedoch seekrank, und ich flüchtete mich mit schwankenden Schritten in meine Kabine.
Ich habe mir sagen lassen, dass oben Mahlzeiten gereicht wurden - Mittagessen, Abendessen und Frühstück -, doch war mir dies gleichgültig. Ich verbrachte die Überfahrt lieber unter Deck. Mir wurde immer unwohler, je weiter der Tag und dann die Nacht fortschritt und je rauer der Seegang wurde. Mich beunruhigte ein wenig der Gedanke, dass ringsum nichts als Schwärze und Wasser war, doch verspürte ich die Kraft des Schiffes, wie es diese ungeheuren Tiefen durchpflügte und uns alle mit sich trug. Die Seereise schien mir endlos, 370 Meilen von einem Hafen zum anderen. Zudem klang mir das Klagen und Stöhnen anderer Passagiere in den Ohren, und ich meinte ihre inbrünstigen Gebete zu hören, in denen sie darum flehten, sie mögen sicher das andere Ufer erreichen. Schließlich breitete sich Ruhe um uns aus, und ich vernahm endlich die Worte, die ich so sehr herbeigesehnt hatte: „Wir sind im Hafen.“
Wir legten in Hamburg an. Vom Rest der Reise ist mir nur sehr wenig in Erinnerung geblieben, außer dass sie lang und ermüdend war, dass ich unzählige Male von einem Zug in den anderen umsteigen musste und unterwegs viele verschiedene Sprachen hörte. Ich fand nur wenig Schlaf, konnte kaum je ein paar Stunden Ruhe erhaschen. Ich wollte meine Reise aber nicht für eine Übernachtung unterbrechen, denn ich war entschlossen, so rasch und mit so wenig Unkosten wie möglich zu Jonathan zu gelangen. Wir fuhren durch einige wunderschöne Landschaften und an einigen sehr interessant aussehenden Städten vorüber, deren Namen immer länger und unaussprechlicher wurden, je weiter wir nach Osten kamen.
Während ich schläfrig auf meinem Platz saß, sorgte ich mich hauptsächlich um Jonathan. Doch mich quälte noch ein anderer Kummer: Ich verspürte Bedauern über meinen brüsken Abschied von Herrn Wagner. Er hatte so erschreckt und bestürzt ausgesehen, als ich ihm Adieu sagte. Obwohl ich wusste, dass unsere Bekanntschaft ein Ende haben musste, hatte ich mir doch erhofft, an dem Tag, als ich Whitby verlassen musste, noch die Gelegenheit zu bekommen, mich bei ihm für seine ... seine Freundschaft zu bedanken und ihm meine besten Wünsche zu übermitteln. Stattdessen war ich abgereist, ohne ihn noch einmal zu sehen. Da ich nicht wusste, wo
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