Dracula, my love
mich ihm bereitwillig hin.
Als ich mich danach auf die Seite drehte und auf seinen regelmäßigen Atem vom Kopfkissen neben mir lauschte, verspürte ich einen ungeheuren Schmerz der Enttäuschung.
Ich konnte mich des Gedankens an jene Nacht vor etwa drei Wochen nicht erwehren. Damals hatte ich in Herrn Wagners Armen auf der Terrasse des Pavillons von Whitby gestanden. Als er auf mich herabschaute und seine Lippen nur wenige Zentimeter von den meinen entfernt waren, hatte mein Herz in wildem Drängen gehämmert. Unbändiges Begehren hatte mich durchströmt. Heute Nacht mit meinem Ehemann war jedoch alles ganz anders gewesen. Es hatte sehr liebevoll und zärtlich begonnen, war dann aber - wage ich es, einzugestehen? - viel zu schnell vorüber. Und es hatte mir nicht das angenehme körperliche Gefühl beschert, das ich mir erhofft hatte. Jonathan andererseits schien vollkommen zufrieden, ja sogar hochgestimmt und beinahe stolz auf sich zu sein.
War das alles, was ich von meinem ehelichen Lager zu erwarten hatte? War der Akt der ehelichen Liebe wirklich etwas, das nur Männer genießen konnten, Frauen aber erdulden mussten?
6
Als Jonathan und ich am 14. September in Exeter eintrafen, wartete Herr Peter Hawkins mit einer Kutsche auf uns.
„Meine lieben Kinder.“ Er küsste mich auf die Wangen und drückte Jonathan fest die Hand, als wir ihm gegenüber in dem Gefährt Platz nahmen, nachdem man unser Gepäck aufgeladen hatte. „Bitte verzeiht mir, dass ich euch nicht auf dem Bahnsteig abgeholt habe. Ich leide schon seit vielen Wochen unter einem Gichtanfall, und das Laufen fällt mir schwer.“
„Es ist so schön, Sie zu sehen, Herr Hawkins“, erwiderte ich mit großer Zuneigung. „Es tut mir leid, dass es Ihnen nicht gutgeht.“
„Machen Sie sich keine Sorgen um mich, das ist nur ein Altmännerleiden. Lassen Sie sich anschauen. Mina, Sie sind so wunderschön wie eh und je. Jonathan, Sie sind ein wenig zu dünn, und ein bisschen blasser als üblich, aber Sie sehen nicht allzu schlecht aus, wenn man die Umstände bedenkt. Ich muss sagen, ich freue mich sehr, nein, ich bin erleichtert, Sie beide wieder heil und sicher zu Hause zu haben.“
„Wir sind auch froh, wieder zurück zu sein, Sir“, antwortete Jonathan. „Noch einmal Danke für alles, was Sie für uns getan haben, während wir uns in Budapest aufhielten.“
„Das war doch das Mindeste, was ich tun konnte, mein Junge. Ich habe Ihrem lieben Vater auf dem Totenbett versprochen, mich um Sie und Ihre Mutter zu kümmern. Bis jetzt hatte ich geglaubt, in dieser Beziehung mein Bestes getan zu haben.“
„Das haben Sie, Sir. Sie waren wie ein Vater zu mir, und ich werde Ihnen dafür stets dankbar sein.“
Herr Hawkins runzelte die Stirn, und die Falten in seinem Antlitz vertieften sich, während er mit sommersprossiger Hand sein schütter werdendes weißes Haar zurückstrich. „Ich habe aber anscheinend nicht recht daran getan, Sie nach Transsilvanien zu schicken. Ich habe mir in den letzten Wochen so viele Sorgen gemacht und mich gefragt: Warum bleibt er so lange aus? Was um alles in der Welt kann geschehen sein? Es tut mir leid, dass Sie krank geworden sind, Jonathan. Diese Schwester So-und-so im Krankenhaus hat sich nur sehr vage über all das geäußert, und Sie haben mir in Ihrem eigenen Brief auch nicht viel mitgeteilt. Ist es wahr, dass Sie eine Art Nervenzusammenbruch hatten?“
„Das stimmt, Sir.“
Herr Hawkins schüttelte den Kopf und schien äußerst bestürzt. „Ich bin ratlos. Ich kenne Sie schon Ihr ganzes Leben lang, Jonathan. Sie sind ein starker, vernünftiger junger Mann. Im Angesicht von Schwierigkeiten haben Sie stets einen klaren Kopf behalten. Sie sind nicht die Art von Mensch, der Zusammenbrüche erleidet. Was ist nur mit Ihnen dort drüben geschehen?“
Jonathan zögerte, und sein Gesicht verzog sich schmerzlich. „Ich möchte lieber nicht darüber sprechen, Sir.“
Ich ergriff seine Hand und drückte sie, hoffte ihn damit wortlos meiner Zuneigung und Unterstützung zu versichern.
Herr Hawkins lehnte sich auf seiner Bank vor, die Hände auf den Spazierstock gestützt. „Mein Sohn, Sie sind in meinem Auftrag geschäftlich ins Ausland gereist. Wäre ich bei besserer Gesundheit gewesen, hätte ich die Reise selbst unternommen. Ich fühle mich verantwortlich dafür. Graf Dracula hat mir einen sehr freundlichen Brief geschrieben, in dem er zum Ausdruck brachte, wie zufrieden er mit den von uns in seinem Namen getroffenen
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