Dracula, my love
hineinwerfen zu lassen?
Er muss mir wohl den Wunsch an den Augen abgelesen haben, denn sein Miene verdüsterte sich, und er sagte leise: „Verzeih mir. Würde es dir etwas ausmachen ... Ich wäre jetzt gern einen Augenblick allem.“
Ich ging zum Fenster, wo ich stehen blieb und schweigend auf die Bäume und den gepflegten Park hinausschaute. Ich war ziemlich bestürzt über mich, denn ich hatte nie die Absicht gehabt, ihm Qualen zu bereiten. Schließlich rief er mich zu sich zurück.
Er hielt das Notizbuch in der Hand. „Wilhelmina“, sagte er feierlich, und ich wusste, dass es ihm sehr ernst war, denn er hatte mich seit seinem Heiratsantrag nie mehr mit vollem Namen angesprochen. „Mein Bericht über das, was mir in Transsilvanien widerfahren ist, befindet sich hier in diesem Buch. Ich habe alles in Kurzschrift aufgezeichnet, wie wir es besprochen haben. Doch denke ich, dass es vielleicht nur der Bericht eines Wahnsinnigen ist. Ich möchte diese Seiten nie wieder zu Augen bekommen. Ich will mein Leben stattdessen jetzt und hier wieder neu aufnehmen, indem ich dich heirate. Aber du kennst doch, Liebste, meine Anschauungen über das Vertrauen zwischen Mann und Frau. Es soll kein Geheimnis, kein Versteckspiel zwischen uns geben. In jenem Geist der Aufrichtigkeit möchte ich dich bitten, dieses Buch an dich zu nehmen.“ Mit diesen Worten legte er mir das Notizbuch in die Hände. „Nimm es und bewahre es auf; lies es auch, wenn du willst. Aber halte seinen Inhalt von mir fern, es sei denn, es entsteht eine Situation, die es unabdingbar macht, mir die bitteren Stunden ins Gedächtnis zurückzurufen, über die ich hier, schlafend oder wachend, Buch geführt habe.“ Nach diesen Worten sank er erschöpft in die Kissen zurück.
„Ich respektiere deinen Wunsch, mein Liebster“, versprach ich. „Ich werde das Buch verwahren, und ich lese es jetzt nicht, wenn überhaupt jemals. Wir wollen nun sehen, dass es dir bald wieder besser geht.“ Später wickelte ich das Notizbuch in weißes Papier, verschnürte es mit einem Endchen blauen Bandes und siegelte es über dem Knoten mit Wachs. Möge dies als äußeres, sichtbares Zeichen unseres gegenseitigen Vertrauens dienen.
Wir heirateten an jenem Nachmittag. Die Zeremonie war kurz und feierlich. Zum Glück hatte ich mein bestes Kleid mitgebracht, das bestickte Kleid aus schwarzer Seide, das ich immer schon zu meiner Hochzeit tragen wollte. Seltsam, überlegte ich, als ich in den Spiegel schaute, um mein Haar zu richten, nun war Lucys Deutung des Brautgedichtes wahr geworden. Ich heiratete in Schwarz, und ich war tatsächlich weit weg von zu Hause und „wünschte mich zurück“.
Ich streifte meine schwarzen Glacehandschuhe über. Schwester Klara, eine weitere gute, freundliche Seele, brachte einen Schleier für mich, und die liebe Schwester Agatha reichte mir ein kleines Sträußchen bunter Blumen, die sie im Garten gepflückt hatte. Die beiden standen uns als Trauzeugen zur Seite. Jonathan wachte aus seinem Schlummer auf, als alles eben fertig vorbereitet war. Ich half ihm, sich im Bett aufzusetzen, lehnte ihn gegen die Kissen und nahm dann meinen Platz neben seinem Bett ein.
Als der Geistliche vor uns trat, konnte ich nicht umhin, unsere düstere Umgebung mit einem kleinen Stechen des Schmerzes zu betrachten. Jonathan ergriff meine Hand und drückte sie, Bedauern in den Augen. „Ich weiß, dass dies nicht die Hochzeit ist, die du dir erträumt hast, Mina, aber ich hoffe, dass ich es dir eines Tages vergelten kann.“
„Ich heirate dich, mein Liebster, und nur darauf kommt es an“, erwiderte ich aufrichtig.
Ich war mir der Verantwortung bewusst, die ich auf mich nahm: Ich würde Jonathans Frau werden. Ich würde die Seine werden, und nur die Seine, für mein ganzes restliches Leben. Das wollte ich, und ich war glücklich. Und doch stellte ich, während der Geistliche die Trauung vollzog, fest, dass meine Gedanken an einen anderen Ort und zu einer anderen Zeit schweiften: zu der Tanzfläche des Pavillons in Whitby und zu den glückseligen Stunden, die ich dort in Herrn Wagners Armen verbracht hatte. Ich erinnerte mich daran, wie lebendig ich mich in seiner Gesellschaft gefühlt hatte und wie herrlich es gewesen war, seine bewundernden Blicke auf mir zu spüren. Wie, fragte ich mich, wäre es, neben ihm am Altar zu stehen und seine Braut zu sein? Bei diesem Gedanken ergriffen mich solch schreckliche Schuldgefühle, dass es mir den Hals zuschnürte und mein
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