Dracula, my love
entdeckten.“
„Sie meinen die Nadelstiche, die ich verursacht habe, als ich...“, hob ich an. Doch sobald ich die Worte ausgesprochen hatte, ging mir plötzlich die Wahrheit auf. Es war, als hätte mein Verstand alles aufgenommen, was ich gesehen, gelesen und gehört hatte, und hätte es erst jetzt wie die Teile eines grausigen Puzzles zusammengesetzt. Ich bebte am ganzen Körper vor Entsetzen und schrie auf: „Oh! Das waren gar keine Nadelstiche, nicht wahr, Herr Doktor? Diese Male an Lucys Hals stammten von einem ... einem ...“
„Ja?“ Dr. van Helsing wartete, und seine blauen Augen blitzten.
Ich vermochte nur noch zu flüstern, musste mich zwingen, weiterzusprechen, konnte die Worte kaum glauben, während ich sie aussprach: „Von einem Geschöpf, das ... das ihr Blut saugte! Von einem Vampir!“
Dr. van Helsing nickte mit grimmiger Miene. „Jawohl. Ja, das denke ich, gnädige Frau.“
Jonathan wurde kreidebleich. „Von einem Vampir? Sie wollen sagen, dass es wirklich Vampire gibt, dass das nicht irgendein Volksmärchen oder Aberglaube ist? Dass ... dass Tote ins Leben zurückkehren können?“
„Es gibt Geheimnisse, mein Freund, deren Lösung die Menschen nur erraten können, die sie in ihrem Zeitalter immer nur teilweise lösen können. Alles andere müssen sie den kommenden Generationen überlassen. Ich glaube, dass wir heute an der Schwelle einer solchen Lösung stehen, dass wir den Beweis antreten werden, dass es die Nosferatu die Untoten, wirklich gibt.“
„Oh!“, rief ich mit einem Schaudern aus.
„Diese Frau auf der Burg“, fügte Jonathan ganz erregt hinzu, „als ich die scharfen Spitzen ihrer Zähne an meinem Hals verspürte, da fragte ich mich, könnte sie ein Vampir sein? Doch dann sagte ich mir, nein, das wäre unmöglich, das wäre Wahnsinn ...“
„Genau wie manche Fledermäuse in der Nacht auftauchen und ihren Opfern das Blut aus den Adern saugen“, erklärte Dr. van Helsing, „so hätten die Frauen, glaube ich, das Gleiche mit Ihnen gemacht, Herr Harker, hätten sie denn die Gelegenheit dazu bekommen.“
„Mein Gott!“, rief Jonathan entsetzt.
„Und Graf Dracula?“, fragte ich. „Ist er auch ein Vampir?“
„Der Graf trinkt und isst nicht. Er besitzt übermenschliche Kräfte. Über Tag schläft er in einer tiefen Trance in der Erde seines Heimatlandes. Man sagt, er könne nur so seine Kräfte wiederherstellen. Außerdem hat man gesehen, dass er jünger geworden ist. Die Nosferatu sollen dazu in der Lage sein, wahrscheinlich, indem sie sich mit Blut vollsaugen. Ich glaube, wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass Graf Dracula ein Vampir ist.“
„Welche anderen schrecklichen Kräfte hat dieses Ungeheuer?“, rief Jonathan. „Kann es sich in Luft auflösen, wie es jene schrecklichen Frauen taten?“
„Das kann ich gegenwärtig nur vermuten“, erwiderte Dr. van Helsing, „doch nachdem ich Ihre Aufzeichnungen gelesen habe, scheint nun eines klar zu sein: Der Graf hat sein Ziel erreicht und ist nach London gekommen. Wie ist er hierher gereist? Auf einem Schiff, denke ich. Und wo hat er das Land zum ersten Mal betreten? Ich sage es Ihnen: Er ist in Whitby an Land gegangen.“
„In Whitby?“, fragte ich überrascht. Dann fiel plötzlich das letzte Sternchen des Puzzles an die richtige Stelle, und ich sah die Tatsachen, so wie Dr. van Helsing sie sah. „Die fünfzig Kisten mit Erde!“
Anerkennend zog Dr. van Helsing seine buschigen Augenbrauen in die Höhe. „Sie haben eine kluge Frau, Herr Harker. Sie sieht viel und versteht alles! Aber Frau Mina, wenn Ihr Mann Ihr Tagebuch noch nicht gelesen hat, müssen Sie es ihm erklären, denke ich.“
Ich erzählte Jonathan von der Demeter , von der verschwundenen Mannschaft, dem toten Kapitän und der seltsamen Fracht. „In deinem Tagebuch, Jonathan, steht, dass du Graf Dracula fandest, wie er in seiner Kapelle in einer Kiste voller Erde lag. Und dass die Zigeuner insgesamt fünfzig solcher Kisten auf Wagen verladen haben. Könnte es sein, dass Graf Dracula in einer dieser Kisten an Bord der Demeter war? Und auf der Reise ...“ Ich verzog das Gesicht und vollendete meinen Satz: „Auf der Reise hat er die unglückseligen Matrosen umgebracht, einen nach dem anderen, um seinen Hunger zu stillen?“
„In der Bibliothek des Grafen habe ich eine Landkarte von England gesehen“, sagte Jonathan aufgeregt, „auf der mehrere Orte mit kleinen Kreisen versehen waren; einer östlich von London, da, wo sein
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