Dracula, my love
warten, weil ich Sie nicht stören wollte.“
„Vielen Dank“, antwortete ich, weil ich erleichtert war, dass er mich nicht vermisst hatte.
Er blickte mich besorgt an. „Geht es Ihnen gut?“
Ich log: „Ja, obwohl ich an die arme Lucy gedacht habe und an alles, was Jonathan mitgemacht hat.“
„Ah, ich verstehe Ihre Sorge. Ich habe Ihr Tagebuch und mehr als die Hälfte von den Aufzeichnungen Ihres Ehegatten gelesen. Sie hatten recht, Frau Harker. Sie haben beide sehr viel durchgemacht. Ich hätte Ihnen eigentlich schon viel früher vertrauen sollen, weil Lucy so gut von Ihnen gesprochen hat.“ Er kam um den Schreibtisch herum zu mir geeilt. „Sie sagten, Sie wollten wissen, wie Lucy gestorben ist.“
„Ja.“
„Ich warne Sie. Es ist eine entsetzliche Geschichte, doch wenn Sie sie noch immer hören wollen ...“
„Ja, das will ich, Herr Doktor.“
„Dann können Sie sich jederzeit meine Aufzeichnungen mit dem Phonographen anhören.“
Nach dem Essen kehrten wir in Dr. Sewards Arbeitszimmer zurück, wo er mich bat, in einem bequemen Lehnstuhl neben dem Phonographen Platz zu nehmen. Er zog eine große Schublade auf, in der geordnet eine Anzahl hohler Metallzylinder mit dunklem Wachsüberzug standen. Anstatt eine auszuwählen, hielt er plötzlich inne und sagte dann: „Wissen Sie, obwohl ich das Tagebuch seit Monaten führe, habe ich doch nie darüber nachgedacht, wie ich es bewerkstelligen könnte, einen speziellen Teil meiner Aufzeichnungen daraus herauszulösen, wann immer ich seiner bedürfte. Sie werden sich leider alles von Anfang anhören müssen, um die Abschnitte über Lucy zu finden.“
„Das ist nicht schlimm, Her Doktor. Ich habe noch die ganze Nacht vor mir und bin überhaupt nicht müde.“ Und ich bin verzweifelt darum bemüht, überlegte ich im Stillen, etwas zu finden, das meine Gedanken von Herrn Wagner ablenken könnte.
Dr. Seward legte den ersten Zylinder in das Gerät und richtete es für mich ein. Dann zeigte er mir, wie ich es einstellen und anhalten konnte, wenn ich eine Pause machen wollte. „Das erste halbe Dutzend wird Sie nicht erschrecken, und danach werden Sie mich ein wenig besser kennen. Danach ...“ Er beendete diesen Satz nicht. Stattdessen reichte er mir eine Mappe, die verschiedene Papiere enthielt. „Zweifellos werden auch Lücken in der Geschichte sein. Dann finden Sie sicherlich diese Korrespondenz hilfreich, die sich auf unseren Fall bezieht. Arthur Holmwood - jetzt Lord Godalming - hat mir meine Briefe zurückgegeben, um eine Dokumentation aller Ereignisse zusammenzustellen. Wir besitzen auch einige wenige Tagebuchseiten von Lucy, einschließlich der Eintragung, die sie wenige Tage vor ihrem Tod machte und in der sie den Wolf beschreibt, der durch ihr Schlafzimmerfenster hereingebrochen ist.“
„Seiten aus Lucys Tagebuch?“ Ich schlug die Mappe auf und schaute die Papiere durch. Ein Sturm der Gefühle packte mich, als ich ein Blatt mit der vertrauten Handschrift meiner Freundin entdeckte.
„Ich schlage vor, dass Sie alles in chronologischer Reihenfolge durchsehen. Ansonsten wird es für Sie wenig Sinn ergeben, fürchte ich.“ Mit grimmiger Miene schritt Dr. Seward durch den Raum, setzte sich mit dem Rücken zu mir, um mich nicht zu stören, und nahm seine Lektüre wieder auf.
Obwohl ich mich danach sehnte, Lucys Worte zu lesen, legte ich die Mappe zunächst zur Seite. Ich fing mit dem Phonographen an, legte die Metallgabel ans Ohr und lauschte. Obwohl der erste Teil von Dr. Sewards Tagebuch ein langer und verstörender Bericht über einen seiner Patienten war, einen geistesgestörten Mann namens Renfield, der eine Vorliebe dafür hatte, Fliegen, Spinnen und kleine Vögel zu fangen und aufzuessen, war es das erste Mal, dass ich eine Maschine reden hörte. Ich stellte fest, dass ich gebannt jedem Wort lauschte.
Die nächsten Stunden rührte ich mich nicht von meinem Stuhl fort, außer um den Zylinder zu wechseln. Dieser Verrückte, Renfield (den ich kurz darauf kennenlernen sollte), schien für Dr. Seward von großem Interesse zu sein. Herr Renfield schwankte hin und her zwischen Sanftmut und Gewalttätigkeit. Eines Nachts floh er aus dem Irrenhaus und rannte in den Park, wo er über die hohe Mauer auf das Grundstück des verlassenen Nachbarhauses stieg. Sie fanden ihn, wie er sich an die Tür der alten Kapelle presste und rief: „Meister, ich stehe zu Eurer Verfügung! Ich bin Euer Sklave und Ihr werdet mich belohnen, denn ich diene Euch treu!
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