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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Arthur zitterte wie vom Fieber geschüttelt. Nach einer langen Pause fragte er mich schließlich flüsternd:
    »Jack, ist sie denn wirklich tot?«
    Um auf gar keinen Fall irgendwelche Zweifel hierüber in ihm aufkommen zu lassen, versicherte ich ihm, dass sie unabänderlich tot sei. Ich behauptete, dass die Gesichtszüge nach dem Tod in vielen Fällen weicher würden, ja sogar manchmal ihren jugendlichen Reiz zurückgewinnen könnten, insbesondere dann, wenn dem Tod ein akutes, nicht lang andauerndes Leiden vorangegangen wäre. Seine Zweifel schienen beseitigt zu sein, und nachdem er eine Zeit lang vor ihrem Bett gekniet und sie liebevoll angesehen hatte, wandte er sich zum Gehen. Ich sagte ihm, |247| dass dies der Abschied sei, da der Sarg bereitstehe. Darauf trat er noch einmal an das Totenbett, ergriff die kalte Hand seiner Braut und drückte einen Kuss darauf. Dann beugte er sich über sie und küsste sie auf die Stirn. Sich in der Tür ein letztes Mal wehmütig nach der Toten umsehend, verließ er gemeinsam mit mir den Raum.
    Ich ließ ihn im Salon zurück und teilte van Helsing mit, dass Arthur Abschied genommen habe. Der Professor ging in die Küche und forderte das Personal des Bestattungsunternehmens auf, sich an die Arbeit zu machen und den Sarg zu verschrauben. Als er wieder zurückkam, erzählte ich ihm von Arthurs Zweifeln, und er entgegnete:
    »Das wundert mich gar nicht. Eben gerade habe ich selbst für einen Augenblick gezweifelt.«
    Wir speisten alle zusammen, und ich bemerkte, dass Arthur sich Mühe gab, gefasst zu erscheinen. Van Helsing war das ganze Dinner über äußerst schweigsam, als wir aber unsere Zigarren angezündet hatten, begann er:
    »Lord Godalming …«, worauf ihn Arthur augenblicklich unterbrach:
    »Nein, nein, um Gottes willen, nennen Sie mich nicht so! Jetzt noch nicht! – Verzeihen Sie, Herr Professor, ich war zu heftig. Aber der Verlust ist noch zu frisch …«
    Der Professor erwiderte sehr freundlich:
    »Ich habe den Titel nur aus Unsicherheit gebraucht, schließlich kann ich ja schlecht ›Mister‹ zu Ihnen sagen, wo Sie mir unter dem Namen ›Arthur‹ so lieb geworden sind. Ja, mein guter Junge, Sie sind mir teuer. Darf ich Sie Arthur nennen?«
    Arthur streckte seinen Arm aus und drückte die Hand des alten Mannes.
    »Nennen Sie mich, wie immer Sie wollen«, sagte er. »Ich hoffe, Sie werden mich immer als Ihren Freund bezeichnen. Und lassen Sie mich noch sagen, dass mir die Worte fehlen, um Ihnen meinen Dank zu sagen für all das, was Sie meiner lieben Lucy Gutes |248| getan haben.« Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: »Ich weiß, dass Lucy Ihre Güte besser verstand als ich, und als ich aufbrauste oder aufbrausen wollte, damals, als Sie so an mir handelten – Sie wissen, was ich meine« – der Professor nickte – »so müssen Sie mir das verzeihen.«
    Van Helsing antwortete mit gütigem Ernst:
    »Ich weiß wohl, es war in dieser Situation hart für Sie, den Glauben an mich nicht zu verlieren, denn wenn man in einem solchen Fall glauben soll, möchte man vorher auch die Gründe wissen. Ich nehme auch jetzt noch an, dass Sie mir nicht vertrauen – nicht vertrauen
können,
denn Sie verstehen mich ja noch immer nicht. Und es werden auch zukünftig Zeiten kommen, wo ich von Ihnen Vertrauen fordern muss, auch wenn Sie mich nicht begreifen werden. Aber einmal wird auch der Tag kommen, wo Sie mir voll und ganz vertrauen, wo Sie alles so klar erkennen werden, als schiene Ihnen die Sonne nach langer Nacht. Dann werden Sie mich für alles segnen, was ich um Ihretwillen tat, für alle anderen und für die Seele der armen Lucy, die zu beschützen ich geschworen habe.«
    »Ich will Ihnen in allen Dingen vertrauen, Herr Professor«, sagte Arthur mit Wärme. »Ich weiß und glaube fest, dass Sie ein edles Herz haben. Sie sind Jacks Freund und waren auch der ihre. Tun Sie, was immer Sie für nötig halten.«
    Der Professor räusperte sich einige Male wie vor einer Rede und sagte schließlich:
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Gewiss.«
    »Sie wissen, dass Mrs. Westenra Ihnen ihr gesamtes Eigentum vermacht hat?«
    »Nein, die Gute, daran hätte ich nie gedacht.«
    »Da nun alles Ihnen gehört, haben Sie das Recht, nach Ihrem Gutdünken darüber zu verfügen. Ich bitte um die Erlaubnis, alle Briefe und Papiere Lucys lesen zu dürfen. Glauben Sie mir, es ist nicht Neugier, was mich zu dieser Bitte veranlasst. Ich habe |249| meine Gründe, die auch Lucy, wenn sie noch

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