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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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mir draußen, verborgen und stumm, dann werden noch wesentlich seltsamere Dinge geschehen. – So«, van Helsing schloss die Klappe |305| seiner Blendlaterne, »und nun hinaus!« Er öffnete die Tür, und wir stiegen einer nach dem anderen ins Freie zurück, worauf er die Tür wieder verschloss.
    Wie frisch und rein wehte uns der Nachtwind um die Gesichter, als wir dem Schrecken dieser Gruft wieder entronnen waren. Wie schön war es, die Wolken am nächtlichen Himmel dahineilen zu sehen, wie schön der helle Mond zwischen ihnen bald verschwand, bald wieder erschien, sodass Licht und Schatten sich abwechselten wie Glück und Leid im Menschenleben. Wie herrlich war es, die kühle Nachtluft zu atmen, die nicht nach Tod und Verfall roch, wie anheimelnd, hinter dem Hügel den geröteten Nachthimmel zu sehen und das halb erstickte Brausen zu hören, die beide die Nähe der großen Stadt verkündeten. Jeder von uns war in seiner Art feierlich gestimmt und bewegt. Arthur verhielt sich schweigend und bemühte sich offenbar, den Zweck und die Bedeutung des Vorhabens zu ergründen. Ich selbst war verhältnismäßig geduldig und wieder geneigt, meine Zweifel beiseitezulegen und mich van Helsings Meinung anzuschließen. Quincey Morris war stoisch in der Art eines Mannes, der alles mit kaltem Mut hinnimmt, wie viel auch immer für ihn auf dem Spiel stehen mag. Da es in unserer Situation unangebracht wäre zu rauchen, schnitt er sich ein großes Stück Tabak ab und begann zu kauen. Van Helsing aber war auf ganz besondere Weise beschäftigt: Als Erstes entnahm er seinem Koffer einen halb in ein weißes Tuch eingeschlagenen Gegenstand, der sich als dünner, oblatenähnlicher Biskuit herausstellte. Dann holte er eine doppelte Handvoll von einem weißlichen Teig oder Kitt hervor. Er zerbröselte den Biskuit und knetete die Krümel in die Masse ein, welche er schließlich zu dünnen Streifen rollte, die er in die Ritzen zwischen Grufttür und Steinfassung einlegte. Ich war sehr erstaunt über seine Vorkehrungen, und da ich neben ihm stand, fragte ich ihn, was dies denn zu bedeuten habe. Auch Arthur und Quincey kamen näher heran, denn sie waren ebenfalls neugierig geworden. Van Helsing antwortete:
    |306| »Ich verschließe die Tür, damit die Untote nicht wieder hinein kann.«
    »Alter Schwede! Sind wir denn auf der Jagd?«, fragte Quincey. »Ist der Stoff, den Sie da zurechtmachten, wirklich imstande, ein Eindringen zu verhindern?«
    »Ja.«
    »Was ist denn das für eine Masse, die Sie dazu benutzen?«, mischte sich Arthur ein. Van Helsing nahm ehrfürchtig den Hut ab und erwiderte:
    »Eine Hostie. Ich habe sie aus Amsterdam mitgebracht, ich habe eine kirchliche Dispens 1 dafür.« Diese Antwort musste auch den ärgsten Zweifler unter uns überzeugen. Wir fühlten alle, dass dem Professor, der zur Durchführung seines Planes selbst die ihm heiligsten Dinge verwendete, unbedingtes Vertrauen zu schenken sei. In ehrerbietigem Schweigen nahmen wir drei die uns von van Helsing angewiesenen Plätze rings um die Gruft ein, und zwar so, dass wir nicht gesehen werden konnten. Mir taten die beiden Freunde leid, insbesondere Arthur. Ich selbst hatte mich durch meine früheren Besuche ja schon damit vertraut machen können, Schreckliches in Ruhe zu erwarten, trotzdem aber fühlte ich, der ich noch vor einer Stunde alles Übernatürliche geleugnet hatte, wie sich mein Herz zusammenzog. Noch nie zuvor waren mir Gräber so unheimlich erschienen, nie waren mir die finsteren Zypressen, Eiben und der Wacholder wie Symbole des Todes vorgekommen. Die Bäume und Sträucher hatten noch niemals so bedrohlich gerauscht, nie die Zweige so geheimnisvoll geknackt, und noch niemals war mir das ferne Heulen der Hunde so wehmütig und unheilverkündend erschienen wie in dieser Nacht.
    Eine lange Zeit war es still und einsam um uns herum, und wir wahrten ein beinahe schmerzhaftes Schweigen. Plötzlich tönte von dort, wo der Professor stand, ein scharfes: »Pst!« Van Helsing |307| zeigte auf etwas. Weit unten an der Eibenallee sahen wir etwas herankommen, eine schmale, weiße Gestalt, die einen dunklen Gegenstand an ihre Brust drückte. Dann blieb sie kurz stehen, und im gleichen Augenblick fiel ein Mondstrahl zwischen den ziehenden Wolken hervor und ließ uns in unheimlicher Deutlichkeit eine dunkelhaarige Frau im Totengewand erkennen. Ihr Gesicht war nicht zu sehen, denn sie hielt es auf ein kleines, lockiges Kind niedergebeugt. Durch die Stille drang ein leises

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