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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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zu müssen, von den gespenstischen Lichtern und tintenschwarzen Schatten und all den herrlichen Farben, wie sie sich nur über stehenden Wolken oder über ruhendem Wasser zeigen.
    Ich wurde zurückgerissen in den finsteren Ernst dieses kalten, steinernen Hauses mitsamt all dem brütenden Elend, das mein eigenes einsames Herz zu ertragen hat. Noch bei Sonnenuntergang |173| trat ich bei ihm ein, durch sein Fenster konnte ich die rote Scheibe sehen. Je tiefer die Sonne hinuntersank, desto ruhiger wurde der Patient, und als sie verschwunden war, entglitt er den Händen der Pfleger und fiel als träge Masse zu Boden. Es ist merkwürdig, wie rasch sich Wahnsinnige von derartigen Anfällen erholen, denn nach einigen Minuten stand er ruhig wieder auf und blickte umher. Ich gab den Pflegern ein Zeichen, ihn nicht zu halten, denn ich war aufs Äußerste gespannt zu sehen, was er wohl tun würde. Er ging auf das Fenster zu und wischte die Zuckerkrümel weg, dann nahm er seine Fliegenschachtel, schüttete sie aus und warf sie fort. Schließlich schloss er sein Fenster und setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen aufs Bett. Alles das überraschte mich sehr, und ich fragte ihn: »Wollen Sie denn keine Fliegen mehr fangen?«
    »Nein«, antwortete er, »ich habe diesen Unsinn satt.« – Er ist in der Tat ein sehr interessantes Studienobjekt. Ich wünschte, ich könnte nur den kleinsten Einblick in sein Geistesleben gewinnen, oder wenigstens die Ursache seiner plötzlichen Anfälle ausfindig machen … Moment, vielleicht ist das ein Anhaltspunkt: wenn wir herausbekommen könnten, warum sein Paroxysmus heute zu Mittag und dann erneut bei Sonnenuntergang ausbrach! Wäre es möglich, dass die Sonnenphasen einen schlechten Einfluss auf gewisse Personen ausüben, wie es ja auch die Mondphasen zuweilen tun? Wir wollen sehen!
     
    Telegramm von Seward, London,
    an van Helsing, Amsterdam
     
    4. September
    Patientin heute noch besser.
     
    |174| Telegramm von Seward, London,
    an van Helsing, Amsterdam
     
    5. September
    Große Fortschritte der Patientin. Appetit gut, Schlaf regelmäßig, gute Laune, Farbe kehrt zurück.
     
    Telegramm von Seward, London,
    an van Helsing, Amsterdam
     
    6. September
    Schrecklicher Umschwung zum Schlechten! Kommen Sie sofort, verlieren Sie keine Stunde! An Holmwood telegrafiere ich erst, wenn wir uns gesprochen haben.

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    |175| ZEHNTES KAPITEL
     
    Brief von Dr. Seward
    an Hon. Arthur Holmwood
     
    6. September
    Mein lieber Art,
    meine heutigen Nachrichten sind nicht sehr gut: Lucy hat heute Morgen einen kleinen Rückfall gehabt. Etwas Gutes ist jedoch dabei: Mrs. Westenra war natürlich in Sorge um Lucy und hat mich als Arzt konsultiert. Ich ergriff gern die günstige Gelegenheit und erzählte ihr, dass mein alter Lehrer van Helsing, der große Spezialist, mich besuchen wird und dass ich beabsichtige, ihn für Lucys Behandlung hinzuzuziehen. So können wir nun kommen und gehen, ohne sie besonders zu beunruhigen, denn eine Erregung würde ihr augenblickliches Ende bedeuten. Was das dann bei Lucys schwacher Konstitution anrichten würde, brauche ich Dir wohl nicht näher zu erläutern. Wir sind von Schwierigkeiten umgeben, wir alle, mein armer alter Kumpel, aber mit Gottes Hilfe werden wir da auch wieder rauskommen. Sollte sich etwas ergeben, so schreibe ich Dir; wenn Du also keine Nachricht erhältst, so weiß auch ich noch nichts Neues.
    In Eile,
    stets Dein
    John Seward
     
    Dr. Sewards Tagebuch
     
    7. September
    Das Erste, was mich van Helsing fragte, als ich ihn von Liverpool Street abholte, war:
    |176| »Haben Sie unserem jungen Freund, dem Liebhaber der Miss, etwas gesagt?«
    »Nein«, antwortete ich. »Wie ich Ihnen telegrafiert hatte: Ich habe gewartet, um zuerst mit Ihnen zu sprechen. Ich habe ihm lediglich geschrieben, dass Sie kämen, da es Miss Westenra wieder schlechter gehe. Und dass ich ihn benachrichtige, wenn es nötig ist.«
    »Ganz recht so, mein Freund«, erwiderte er, »ganz recht! Es ist besser, er weiß von nichts. Vielleicht sollte er es nie erfahren – ich wäre glücklich damit. Nur wenn es wirklich sein muss, sollte er es erfahren. Mein lieber Freund John, lassen Sie sich warnen: Sie haben viel mit Narren zu tun, aber jeder Mensch ist ein bisschen wahnsinnig, auf die eine oder andere Weise. Ebenso vorsichtig, wie Sie mit
Ihren
Narren verfahren, sollten Sie auch mit den Narren Gottes sein, also den übrigen Menschen. Sie sagen Ihren Narren ja auch nicht,
was
Sie tun

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