Draculas Brüder -ebup-
batteriebetriebene Ausrüstung zu seinen Füßen angeschlossen war. Das Gerät arbeitete mit Ultraschall und hatte einen Einstellbereich zwischen zwanzigtausend und hunderttausend Hertz, bei einer Reichweite bis zu vierhundert Metern. Ob das Gerät die abschreckende Wirkung haben würde, die er sich von ihm versprach, war allerdings nicht sicher. Harmon, mit dem er es zusammengebaut hatte, hatte seine Bedenken kurz und prägnant zusammengefaßt:
»Die Größe und das gemeldete Verhalten dieser Kreaturen deuten auf genetische Veränderungen
hin, die über bloßes Training weit hinausgehen. Es kann sein, daß das Störgerät in der Praxis nutzlos ist.«
Harmons Bedenken waren wissenschaftlich begründet; er ging von einer erhöhten Anpassungsfähigkeit der veränderten Fledermäuse aus. Kriminalkommissar Navarres Bedenken waren mehr persönlicher Natur. Er leitete die Operation auf dem Dach des Gebäudes der Vollversammlung. Hätte Sanchez nicht gefunden, daß dieses Dach auch für ihn der geeignetste Standort sei, hätte er sich wahrscheinlich einen anderen Ort gesucht. Wie die Dinge lagen, konnte er nicht viel mehr tun als das Schicksal verfluchen.
»So, so«, begrüßte ihn der höhnisch lächelnde Navarre. »Was hat unser wissenschaftliches Genie denn heute abend mitgebracht? Wieder ein paar kleine Drähte, die durcheinanderkommen, wenn es soweit ist?«
»Laß mich in Ruhe«, sagte Sanchez.
Navarre hob in gespielter Angst die Hände. »Aber gewiß doch! Ich habe meine Anweisungen. Du bist zu behandeln, als ob du Kaiser Karl V. wärst. Wahrscheinlich haben wir die Nationale Heroinfixer-Woche oder was. Du weißt, wie es ist, Sanchez. Die großen Tiere treffen die Entscheidungen, ob richtig oder nicht, und wir tun, was uns gesagt wird und denken uns unseren Teil, nicht wahr?«
Der bullige Kommissar grinste und ging. Sanchez kochte vor Wut.
Mitternacht kam.
Sanchez’ Augen suchten den Horizont im Norden und Westen ab, aber es gab nichts Interessantes zu sehen, nur die winzigen roten Glutpunkte brennender Zigaretten auf den Dächern der anderen Straßenseite. Jenseits davon erhellten die Lichter New Yorks die Nacht.
Wie gewöhnlich. Das Leben der Stadt ging immer seinen eigenen Gang, seinen gewohnten Gang, gleichgültig, welches Drama sich irgendwo -in seiner
Mitte abspielte. Irgendwo dort draußen stöhnten sie jetzt in ihren Betten, die einen vor Lust, die anderen in Schmerzen. Jemand schrie in diesem Augenblick seine Frau an, jemand stieß mit gierig zitternder Hand eine Heroinspritze in seine Vene, jemand wurde geboren, jemand starb an Krebs, jemand jammerte über die Lebenshaltungskosten, jemand wurde auf einer dunklen Straße erstochen.
Und jemand hielt nach zehn Päckchen mit einer -Million Dollar Ausschau, irgendwo dort draußen, wo inmitten des Lichtermeers die dunkle Lücke des Central Park gähnte.
Wenn er entdeckte, daß sie nicht da waren ...
Um Mitternacht ist der Central Park kein Ort für den durchschnittlichen New Yorker Bürger. Sobald es Abend wird, verliert die Anlage ihre Anziehungskraft für Spaziergänger und Bummler und wird zum Ziel von Obdachlosen, die in dunklen Unterführungen Schutz vor der Kälte suchen, aber auch zum Jagdgebiet von lichtscheuem Gesindel, jugendlichen Schlägerbanden und Manhattans berittener Polizei.
Wer sich nachts im Central Park aufhält, weil er dort arbeitet, auf Raub ausgeht oder eine Schlafgelegenheit sucht, blickt selten zum Himmel auf, selbst wenn ein Geräusch von dort um Aufmerksamkeit wirbt. Denn der Blick muß in Bodennähe bleiben. Dort lauern die Gefahren – hinter einem Busch oder Baum, einer Bank oder einem Springbrunnen, in den Schatten der Vegetation oder einer Grotte.
So sah kein menschliches Auge die einzelne große Fledermaus, die in Baumwipfelhöhe fast lautlos südwärts flog. Der Kinderzoo war von sechzig Bewaffneten in weitem Kreis umstellt. Sie waren von der Normaluhr so weit entfernt, daß sie als Beobachter ausfielen, und sollten sich erst in Bewegung setzen, wenn sie über Sprechfunk entsprechende Anweisungen von den Beobachtern bekamen. Diese, ein gutes Dutzend Männer mit Maschinenpistolen und Feldstechern, in Bäumen, parkenden Autos und
anderen Verstecken strategisch plaziert, sollten den Geldabholer ausmachen und seine Einkreisung organisieren.
Zwei Beobachter sahen die schwarze, geflügelte Kreatur in niedriger Höhe durch den Doppelkreis ihrer Nachtgläser fliegen, dachten sich aber nicht viel dabei. Was immer es war
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