Draculas Brüder -ebup-
wie der Vampirmensch sein Opfer leergetrunken hatte.
Das war natürlich ein starkes Stück; ein aufgeklärter Mensch fand es nicht leicht, solchen Erzählungen zu glauben. Und die offizielle Theorie war denn auch eine andere. Ihr zufolge hatten die Vampirfledermäuse sich schließlich gegen ihren Meister gewendet, ihn getötet und sich an seinem Blut gesättigt. Alles andere sei Phantasie und Sinnestäuschung.
Navarre war da nicht so sicher. Er war Realist, aber nach seinen letzten Erlebnissen begann er manches für möglich zu halten. Zuerst diese plötzliche Gedächtnislücke, und dann eine unheimliche Geschichte, die unklare Gefühle und Sorgen in ihm aufrührte.
Ein Riese in einem schwarzen Umhang.
Navarre hatte eine trübe Erinnerung – nein, so stark war es nicht. Ein Gefühl. Es hatte mit einem
Mann in Schwarz zu tun. Einem riesenhaften Mann mit brennenden Augen ...
Navarre griff hastig zur Tasse und nahm einen großen Schluck von dem heißen, bitteren Kaffee.
Wenigstens hatte das Ganze für ihn auch eine gute Seite. Man hatte ihn zu seiner Idee mit den Schrotflinten beglückwünscht und seine weitblickende Entscheidung gelobt, Sanchez von zwei Leuten beschatten zu lassen. Hätte er das nicht getan, wäre der zweite Bruder womöglich entkommen. Nach dem letzten Stand der Dinge wollten sie das Tageslicht abwarten, um den Mann mit Tränengas aus seiner Höhle zu treiben. Dann würden sie die vollständige Geschichte haben. Wahrscheinlich waren sie zu dieser Stunde damit beschäftigt, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Aber ob sie viel dabei erfahren würden, war eine andere Sache.
Vielleicht. Irgendwie zweifelte Navarre daran. Sanchez und Harmon ...
Er öffnete ein Schubfach und nahm einen dünnen Schnellhefter heraus. Der Zeitungsausschnitt lag zuoberst, als er den Deckel aufschlug:
BANDENMITGLIED BEHAUPTET: ANTHONY UND FREUNDE VON VAMPIREN GETÖTET.
Von Vampiren. Der Mann in Schwarz ... mit roten Augen und weißglühenden Pupillen, die in seine Augen gebrannt hatten ... Und der Mann hatte ihm etwas gesagt, etwas über ...
Er schloß den Schnellhefter und legte ihn zurück. Das war es. Das war ein Stück Erinnerung aus der Gedächtnislücke. Vielleicht würde noch mehr nachkommen, wenn er sich Zeit ließ. Auf alle Fälle mußte er mit den beiden Polizisten sprechen, die den Mann in Schwarz gesehen hatten. Vielleicht wären ihre Auskünfte geeignet, seiner Erinnerung weiter aufzuhelfen.
Ja. Er würde es herausbringen. Harmon, Sanchez und der Mann in Schwarz, der Vampir. Sein Gefühl sagte ihm, daß es da eine Verbindung geben mußte, einen Zusammenhang. Er würde ...
Nicht jetzt. Er konnte jetzt nicht in Ruhe darüber nachdenken. Er brauchte Abstand. Vielleicht Morgen oder übermorgen, aber nicht jetzt. Sein Verstand war zu müde, zu durcheinander.
Und da war noch etwas. Dieses kleine Gefühl quälenden Unbehagens. Es schien etwas mit den roten Augen zu tun zu haben, die ihn mit einem brennenden, hypnotischen Blick angestarrt hatten, gebieterisch ...
Und unter diesen Augen war ein übles Lächeln gewesen, nein, ein Grinsen mit gebleckten Zähnen, die...
Er schüttelte das fröstelnde Gefühl ab, das ihn mit der Vorstellung überkam. Nicht jetzt. Wieder tat er einen großen Schluck aus der Kaffeetasse.
Der Kaffee war schauderhaft. Bitter. Aber er war wenigstens real.
ENDE
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