Draculas Darling
das Lauern in seine Stimme legte. »Ihr habt die beiden doch gefunden – oder?«
»Den Mann schon«, gab ich zu. »Er war tot.«
Sein Kichern klang in meinem Ohr schon bösartig. »Ja, er schlug mit dem Hinterkopf auf.« Wieder legte er eine Pause ein. »Was ist mit der Frau passiert?«
Jetzt ließ ich ihn zappeln. Nach einer Weile sagte ich dann: »Ich bezweifle, dass sie tot gewesen ist, als wir sie fanden. Nicht richtig tot, meine ich. Aber das hat sich geändert, kann ich mit gutem Gewissen behaupten.«
»Ach ja?«
»Bestimmt. Sie hat noch geschrien, bevor wir sie erlösten. Das ist bei Vampiren nun mal so.«
»Geschrien!«, flüsterte er und stöhnte. »Wie kann sie geschrien haben, verdammt?«
»Das Kreuz war zu stark!«
Ich hörte einen Schrei und hielt den Hörer sicherheitshalber vom Ohr weg. Da musste ich den Anrufer auf dem falschen Fuß erwischt haben.
Ich wartete ab, bis er sich beruhigt hatte, und sagte dann mit normaler Stimme: »Auf deine Schreie freue ich mich schon, Jordan, wenn wir Zusammentreffen. Ich denke, dass sie sich kaum anders anhören werden. Ich liebe es, wenn ich das Schreien der Blutsauger höre und...«
Ein Huch erreichte mich. Sofort danach war das Gespräch beendet. Nichts mehr hörte ich, und ich legte den Telefonhörer wieder auf. Dabei schaute ich Suko an.
»Hast du alles gehört?«
»Nein, nicht ganz.«
»Ich scheine ihn geschockt zu haben. Damit hat er nicht gerechnet. Sein Pech.«
Suko war nachdenklich geworden. »Hat er das wirklich nicht, John?«
»Was meinst du damit?«
»Nun ja, ich denke etwas um die Ecke. Er hat ja nicht grundlos angerufen. Und er hat gewusst, dass wir uns hier im Haus aufhalten. Also muss er uns gesehen haben. Das bedeutet nichts anderes, dass er sich in der Nähe aufgehalten haben muss. Wahrscheinlich hat er uns sogar vom Küchenfenster aus gesehen und dann die Flucht ergriffen.«
Ich brauchte nicht lange über Suko’s Worte nachzudenken. So konnte es nur gewesen sein. »Okay, gehen wir davon aus, dass er uns gesehen hat, dann frage ich mich weiterhin, ob er uns auch erkannt hat. Ob er weiß, wer wir sind?«
»Er ahnt zumindest etwas.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich denke, er hätte mit einem normalen Menschen anders gesprochen und nicht so hintenherum gefragt. Draculas Darling scheint doch mehr zu wissen.«
»Durch wen?«
Suko räusperte sich. »Müssen wir eventuell an eine undichte Stelle denken?«
»Nein, nur das nicht. Wer, zum Teufel, sollte diese undichte Stelle sein? Sir James?«
»Bestimmt nicht.«
»Der Maskenmann.«
Mein Freund nickte langsam. »Ich denke, dass wir dort einhaken sollten.«
»Wunderbar, Alter. Und denkst du auch noch an unser schon konspiratives Treffen?«
»Wie könnte ich das vergessen. Aber die Dinge haben sich geändert, John. Ich denke, da muss auch mal jemand wie Sir James über seinen eigenen Schatten springen. Ich bin davon überzeugt, dass er den Mann kennt.«
»Und was ist mit dem zweiten?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn wir erst mal einen kennen, ist die Hälfte schon geschafft.«
Soviel Optimismus wie Suko versprühte ich nicht. Für mich stand nur fest, dass es noch eine verdammt lange Nacht werden würde, in der auch Sir James eine wichtige Rolle spielte...
***
Aus Gründen der Bequemlichkeit und auch aus denen der Entfernung waren wir zum Yard gefahren und hatten uns dort mit Sir James getroffen. Eine Organisation wie Scotland Yard schläft nie, aber die Hektik und der Betrieb des Tages herrschten in der Nacht nicht. Alles lief gemächlicher und ruhiger ab. Auch normale Laute klangen gedämpft.
Im Haus der Hurlands hatten wir alles geregelt. Die Kollegen der Mordkommission kümmerten sich um die beiden Toten. Die Aufklärung des Falls lag in unseren Händen. Wir waren daran interessiert, weitere Informationen zu bekommen, und dabei würde uns nur Sir James helfen können, der sich bei meinem drängenden Telefongespräch auch kooperativ gezeigt hatte. Zumindest was das Treffen in seinem Büro anging.
Wir drei haben schon unzählige Male zusammengesessen. In dieser Nacht war die Atmosphäre eine andere. Nicht dass wir uns fremd waren, doch es lag irgendwie ein Schleier zwischen uns, der für eine gewisse Distanz sorgte.
Es herrschte eine warme Luft. Wir hörten das leise Summen der Heizung und sahen auch die Falten auf der Stirn unseres Chefs, der wie hypnotisiert auf den Deckel seines zugeklappten Laptops schaute und hin und wieder an seinem mit Wasser gefüllten Glas
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