Draculas Darling
sich dem Aussehen angepasst. Sein Hemd war zerknittert. Die beiden oberen Knöpfe standen offen, so dass graues Brusthaar hervorwuchern konnte. Er ärgerte sich darüber, dass auf seiner Stirn Schweißperlen glänzten und seine Lippen fast alle Farbe verloren hatte. Was er erlebt hatte, blieb eben in den Knochen hängen. Das wiederum zeigte ihm, dass er ein Mensch und keine Maschine war, auch wenn er das manchmal gern gewesen wäre.
Er wandte sich um. Das Glas in seiner Hand zitterte. Eigentlich wäre es an der Zeit gewesen, sich hinzulegen, aber er würde sowieso nicht schlafen können. Da kreisten die Probleme in seinem Kopf. Erst wenn keiner der Ausputzer mehr lebte und auch Draculas Darling vernichtet war, konnte er wieder aufatmen und für vier Wochen in Urlaub gehen. Er würde sich in den Schweizer Bergen auf eine Beautyfarm zurückziehen und dort versuchen, alles zu vergessen. Davon träumte er und...
Das Handy klingelte.
Pete Ritter schrak zusammen. Er war überrascht und wusste zunächst nicht, wo er den flachen Apparat deponiert hatte. Dann fiel sein Blick auf den Barocksessel, über dessen Lehne auch sein Jackett lag. Da Handy steckte noch in der Tasche.
Als er hineilte, dachte er darüber nach, wer ihn wohl anrufen konnte. Nur wenige Menschen besaßen seine Handy-Nummer, eigentlich nur eine Person.
Er holte das Gerät aus der Tasche und meldete sich mit einem leisen »Ja bitte...?«
»Ich bin es!«
Ritter holte scharf Luft. »Chapman.«
»Ja. überrascht dich das?«
»Nein, ich...«
Chapman lachte. »Natürlich überrascht es dich, Pete. Das höre ich an deiner Stimme.«
»Um diese Zeit schon und...«
»Du willst wissen, was ich will?«, unterbrach der Anrufer.
»Genau.«
»Ich stehe praktisch vor deiner Tür. Du solltest hingehen, öffnen und mich in die Wohnung lassen. Dann werden wir beide über alles Weitere reden.«
Pete Ritter bekam einen trockenen Hals. Er schluckte und spürte nur das Kratzen in seinem Hals.
»Verstanden, Pete?«
»Natürlich. Ich...«
»Dann ist es gut!«
Chapman unterbrach das Gespräch. Er war wie immer. Kurz und knapp. Anders kannte ihn Ritter nicht. Als er den Apparat auf den Tisch legte, spürte er, wie eine Gänsehaut über seinen Rücken hinweglief. Der Anruf bedeutete nichts Gutes. Chapman hatte ihn in seiner Wohnung höchstens dreimal besucht, seit sie sich kannten. Er war ein Mann, der sich im Hintergrund hielt und schon gute Gründe haben musste, um sich zu zeigen. Die hatte er in diesem Fall, obwohl sie Pete Ritter noch unbekannt waren.
Er kannte Chapman seit einigen Jahren. Freunde waren sie nie geworden. Irgendwo vertraten sie die gleichen Interessen, doch ein privates Band hatte sich zwischen ihnen nicht aufgebaut. Wenn er mit Chapman sprach, konnte er sich auch einen Eisblock an dessen Stelle vorstellen.
Was wollte er? Hatte es Ärger gegeben? Wusste er bereits von seinem, Ritters Verrat?
Bei dieser Vorstellung drückte sich Petes Magen zusammen. Er glaubte einen Kloß in der Kehle zu haben. Er wollte es nicht, aber seine Hände zitterten schon, was hoffentlich vorbei war, wenn er mit seinem Besucher redete.
Die Stiche in seiner Herzgegend ärgerten ihn. Der Schweiß auf seinen Handflächen auch. Er war zu einem wahren Nervenbündel geworden.
Schließlich ging er zur Wohnungstür. Er schaltete das Licht in der geräumigen Diele mit der hohen Decke ein und überlegte, ob er die Tür schon jetzt öffnen sollte.
Ein kurzer Klingelton wies ihn darauf hin, dass Chapman vor der Haustür stand.
Pete Ritter öffnete sie.
Er wartete einige Sekunden, bis er auch die Tür zu seiner Wohnung aufzog. Chapman war schon fast da. Er musste die wenigen Stufen der Treppe hochgeflogen sein, stand nun vor ihm und schaute ihm nur kurz in die Augen.
»Komm rein«, sagte Pete Ritter. Er senkte den eigenen Blick und trat zur Seite. Sehr schnell drückte er die Tür hinter seinem Besucher wieder zu.
Chapman war drei Schritte in die große Diele hineingegangen und drehte sich dann um. Wie immer trug er eine Lederjacke. Sie gehörte zu seinem Outfit. Er war darin geboren, hatte er mal gesagt. Diese hier war etwas dicker, und natürlich war sie schwarz, ebenso der Pullover und die Hose. Dazu trug Chapman Schuhe mit weichen Sohlen, die ihm ein fast lautloses Gehen ermöglichten.
Er schaute sich um, als hätte er die Wohnung zum ersten Mal betreten. Sein Gesicht blieb dabei ausdruckslos. Und so war es auch immer.
Er war ein Mensch, der immer gleich aussah. Der
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