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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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kalten, feuchten Wand entlang und gelangte zu einer Treppe, auf deren oberen Stufen sich ein rötlicher Schein abzeichnete.
    Es ging mir nicht gut in jenem Moment. Ich dachte an die unübersetzbaren Zeitungsartikel und die vielen verletzten Männer, welche die Temeschburg auf der Bahre verlassen hatten, und über deren weiteres Schicksal man nichts erfuhr. Während ich die Treppe hinaufstieg, einen anderen Weg gab es nicht, überlegte ich, ob der hippokratische Eid, der jeden Arzt verpflichtet, unter allen Umständen Hilfe zu leisten, auch die Gefährdung der eigenen Person einschließe. Oder war alles nur eine Inszenierung, die sich Sardonius Spork ausgedacht hatte, um mich zu prüfen und für einen höheren Rang innerhalb des Rumänischen Drachenordens zu qualifizieren? Tatsächlich kamen mir gerade in diesem Moment Erinnerungen an Inszenierungen des Wiener Burgtheaters in den Sinn, in denen Spork Figuren wie den Wurm in Kabale und Liebe oder den Prinzen in Emilia Galotti gegeben und ich mich noch gefragt hatte, ob die von ihm vorgestellte Person die Fäden in der Hand hielt oder selbst an einem solchen hinge, und wo ich, schon auf dem Heimweg, durch einen Blick auf den Besetzungszettel, damit überrascht worden war, daß Spork in dem jeweiligen Stück nicht allein als Darsteller einer vermeintlichen Nebenrolle, sondern vor auch als Regisseur amtiert hatte.
    Solches konnte ich mir hier auf den kalten Stiegen der Temeschburg nicht einbilden. Ich durchlief einen Parcours, den andere für mich vorgesehen hatten, ob in einer Haupt- oder Nebenrolle, wußte ich nicht, und meine Ges taltungsmöglichkeiten waren gering. Selbstverständlich kann ich in diesem knappen Bericht nur einen Teil der Gedanken und Gefühle wiedergeben, die mich in jenem Moment heimsuchten, als ich die Temeschburg zum ersten Mal betrat. Mein Verdacht ging dahin, daß ich wohl eine Aufgabe zu erfüllen, womöglich auch etwas lernen hätte; vor allem fühlte ich allzu deutlich, als ich mich durch das kalte Gemäuer schlängelte, daß ich in der Rolle, die mir zugedacht war, eher einem Wurm als einem Prinzen entsprach. Sardonius Spork war im Theater wie im Leben Schauspieler und Regisseur zugleich. Ich dagegen fühlte mich oft, aber nie so stark wie in eben jenem Moment, als Marionette an Fäden.
    » Wenn du durch die Hölle gehst, gehe weiter!« hatte mein Professor an der Sorbonne in Paris gesagt, wenn ich wieder einmal in ein wissenschaftliche Sackgasse geraten war und keinen Ausweg fand. So stieg ich also Schritt für Schritt die Stiege hinan, und tatsächlich wurde es mit jeder Stufe heller. Umzukehren wäre sowieso nicht möglich gewesen. Nach gut hundert Stufen trat ich in einen Saal, der mit Fackeln erleuchtet, sonst aber kaum geschmückt war. Nur ein paar Grabsteine mit Figurenreliefs und lateinischen Inschriften waren in Wände und Boden eingelassen und zeigten die Prominenz der früheren Burgbewohner. Fürsten nebst Frauen, Kardinäle, Bischöfe und Äbtissinnen hatten in dieser Halle ihre letzte Ruhe gefunden, Namen des transsylvanischen, des europäischen Hochadels konnte man aus den Marmorplatten entziffern und ertasten, darunter jene der gegenwärtigen Bewohnerin und des Hauses Österreich.
    Ich stand allein in der Halle . Konnte eine Fürstin Schwarzenberg ihrem behandelnden Arzt nicht eine freundlichere Begrüßung zuteil werden lassen? Da rief jemand meinen Namen. Im selben Moment nahm ich am Ende des Raumes eine weitere Tür wahr, zu der man über fünf halbrunde Stufen gelangte. Es handelte sich um eine schwere mit Intarsien überfrachtete Holzpforte, die halb offenstand. Ich trat hinauf, schob die Tür auf, die quietschte, und kam in einen Raum, der hell beleuchtet war. Lebensgroße Portraits aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hingen an den mit taubenblauer Seide bespannten Wänden. Unter dem Kronleuchter stand ein brünettes Persönchen im schwarzen Samtkleid. Ich hatte mir die Fürstin größer vorgestellt. Ich verbeugte mich, wie ich es in der Tanzschule Elmayer in Wien gelernt hatte.
    » Willkommen in Transsylvanien, Doktor Entenschnabel!« sagte die Kleine in französischer Sprache. »Hatten Sie eine gute Reise? Sie brauchen sich vor mir nicht so tief zu verbeugen, es sei denn, sie wollen sich auf mein körperliches Niveau herabbegeben. Wenn Sie glauben, die Fürstin Schwarzenberg vor sich zu haben, muß ich Sie enttäuschen. Die Fürstin-Witwe läßt sich entschuldigen, sie ist unpäßlich. Ich bin nur die

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