Dracyr – Das Herz der Schatten
« , sagte er leise. » Das ist eine wichtige Zeit. Ihr werdet eine Weile unzertrennlich sein müssen, so lange, bis das Band euch unwiderruflich aneinander bindet. «
Kay spürte, wie eine eiserne Faust ihr Herz umklammerte. » Was heiÃt das? « , flüsterte sie.
Er musterte sie mit einem Ausdruck, den sie bei jedem anderen Menschen als Mitgefühl bezeichnet hätte. Damian hob die Hand und berührte erstaunlich sanft ihre Wange, als wolle er sie trösten oder streicheln. Kay wappnete sich dagegen, dass er ihr wehtat. Doch der Schmerz blieb aus, seine Geste war wirklich nichts weiter als eine zarte Berührung, in die sie sich unwillkürlich hineinschmiegte, getrieben von einem Hunger nach Freundlichkeit und Zärtlichkeit, der sie erschreckte. In seinem Blick war nichts Kaltes und Fernes mehr. Sein Gesicht war das eines jungen Mannes, der zu lange geschunden, gequält und misshandelt worden war, und seine Augen glänzten wie im Fieber. Sie konnte die Pein darin kaum ertragen, aber sie badete in dem schwachen goldenen Flämmchen, das in ihrer Tiefe flackerte.
Ihr Atem strich über seine Finger. Er lieà seine Hand noch einen Augenblick länger auf ihrer Wange verweilen, dann lieà er sie sinken und wich einen Schritt zurück.
» Du hast nicht gewusst, worauf du dich einlässt « , sagte er. » Jetzt müssen wir dich lehren, was es bedeutet, eine Schattenreiterin zu sein. «
Das grausame Wort dröhnte wie ein Gong in ihrem Kopf. Kay verschlug es den Atem. In ihren Ohren sauste und rauschte das Blut. » Schattenreiterin? « , brachte sie erstickt hervor. » Ich? «
Warum hatte sie das nicht begriffen? Die Geschehnisse der letzten Stunden hatten sie überrollt, sie war mitgerissen worden wie von einer Flutwelle. Und jetzt, da der Sturm abflaute, fand sie sich an einem fremden Ufer gestrandet, allein unter Feinden, und es gab keinen Weg zurück. Die Schattenreiter waren die blutige GeiÃel des unterworfenen Landes, die grausamste Waffe des Dracyrlords im Kampf gegen die Rebellen. Hinter den dunklen Masken verbargen sich diese ganz normalen jungen Leute, der freundliche Morgan, die zickige Corena, die kokette Esbeth, der charmante Tyron⦠und bald auch sie selbst?
Kay legte mit einem tiefen Stöhnen das Gesicht in die Hände, aber ihre Augen blieben trocken.
» Damian « , hörte sie Morgans ruhige Stimme, » du solltest zu Noctyria gehen. Du brauchst sie jetzt. Ich zeige Kay ihr Zimmer, erkläre ihr kurz das Nötigste und bringe sie dann wieder in den Pferch. Ihr beiden gehört jetzt an die Seite eurer Dracyr. «
Damian nickte Morgan zu. Graue Schatten lagen auf seinem blassen Gesicht, von dem sich die Blutergüsse wie eine Bemalung abhoben. Seine Augen schimmerten nicht länger wie flüssiges Silber und flackerndes Gold, sondern blickten sie mit einem matten Grauton an. Er sah aus wie ein Gespenst, mit seinen weiÃen Haaren und der düsteren Kleidung. » Danke « , sagte er, » ich werde deinem Rat folgen. Wir sehen uns morgen beim Unterricht. « Seine Stimme klang wie immer klar, kalt und beherrscht, lieà kein Anzeichen von Schmerz oder Schwäche erkennen. Auch seine Haltung, straff wie eine Bogensehne, und sein Gang, federnd und geschmeidig, zeigten keine Spur mehr von dem Zittern, das Kay eben noch gesehen zu haben glaubte.
Kay richtete sich auf und straffte ebenfalls ihre Schultern. Dies war der falsche Zeitpunkt für einen Zusammenbruch. Sie fühlte sich zwar, als hätte sie ein Dracer durchgekaut und wieder ausgespuckt, aber sie war bis hier gekommen und so nah an den Dracyrlord und seinen Sohn herangekommen, wie sie es kaum noch für möglich gehalten hätte. Jetzt galt es, Haltung und einen kühlen Kopf zu bewahren und auf die Gelegenheit zu warten, die sich mit Sicherheit ergeben würde. Kay atmete tief durch. Und jetzt war sie kein Dienstmädchen mehr, das nur mit einem Küchenmesser bewaffnet warâ jetzt besaà sie eine Waffe, die sogar einem mächtigen Magier wie Lord Harrynkar gefährlich werden konnte.
Kapitel 13
Erst als er den steilen Gang hinter Schleuse drei hinuntersteigt, bemerkt er die Schwäche, die seine Glieder schwer und zittrig macht. Er bleibt stehen, und weil er weiÃ, dass er allein ist und niemand ihn beobachten kann, lehnt er sich gegen die kalte Wand des Ganges und schlieÃt die Augen. Seine Knie drohen nachzugeben, aber
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