Dragon Kiss (epub)
.«
»Das klingt furchtbar kompliziert.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Was meinst du damit?«
»Du führst den größten Aufstand an, den dieses Land je gesehen hat. Wenn ich es richtig sehe, sind dir deine Truppen blind ergeben. Und andere Königreiche schicken dir Verstärkung und Gold.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Du bist schon Königin, Annwyl. Du musst dir nur noch die Krone nehmen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater glaubte nicht an Kronen. Einen Thron gibt es allerdings.«
»Dann nimm deinen Thron. Nimm ihn und werde Königin.«
»Das werde ich. Wenn du mit mir kämpfst, Drache.«
»Wirst du jemals Ruhe geben, wenn ich es nicht tue?«
»Manchmal müssen Königinnen eben Dinge tun, auf die sie nicht unbedingt stolz sind«, neckte sie ihn. »Unter anderem gut aussehende Drachen foltern, wie du einer bist. Ich könnte Leute einstellen, die hier pausenlos ein- und ausgehen. Redselige Leute.« Sie lächelte, während sie sprach – und sie nannte ihn »gut aussehend« –, aber er traute ihr alles zu.
»Dann lässt du mir ja keine große Wahl, oder?«
»Nein, das stimmt wohl.«
»Dann werde ich mit dir kämpfen, Annwyl.«
Sie grinste, und er spürte wieder diesen Stolz, dass er es ausgelöst hatte.
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Als die Tage vergingen und Annwyl sich erholte, begann sie sich hinauszuwagen in die Bergschlucht, die die Höhle des Drachen umgab. Sie hatte sich nie sicherer gefühlt als in diesem Moment. Mitten im Territorium eines Drachen, nur mit einem Schwert, um sich zu schützen. Und sie hätte auch niemals sicherer sein können. Er ließ sie tun, was sie wollte. Ließ sie gehen, wohin sie wollte. Das tat sie auch. Auch wenn sie den Bereich mied, wo es noch immer nach verbrannten Männern roch.
Annwyl bewegte sich langsam zwischen den Bäumen und Blumen. Sie waren alle so schön und nur dafür da, dass sie sie in der Abgeschiedenheit genießen konnte. Wie alle anderen in den umgebenden Königreichen, hatte sie gelernt, die Finstere Schlucht zu fürchten. Und von außen erhob sie sich auch dunkel und imposant. Doch im Inneren schuf der dichte Wald einen Ort der Ruhe und Beschaulichkeit. Hätte sie als Kind gewusst, dass sie nichts zu befürchten hatte, wäre sie schon vor langer Zeit hierher geflohen.
Sie rieb sich die Seite. Ihre Wunde war immer noch ein bisschen empfindlich, aber fast verheilt. Der Drache und die Hexe hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet, sie am Leben zu halten.
Dennoch zerbrach sie sich den Kopf über ihre Abmachung mit dem Drachen. Wollte sie ihren Bruder so verzweifelt besiegen? Wollte sie so unbedingt das Blut ihres Bruders auf ihrem Schwert sehen, dass sie das Leben des Drachen riskierte, der sie gerettet hatte? Die Antwort war ein klares Ja.
Doch sie musste verrückt sein. Sie sollte besser fliehen. Zurück zu ihren Männern. Zurück in die Sicherheit ihrer Truppen und fort von dem Drachen. Das sollte sie wirklich. Höchstwahrscheinlich würde sie das aber nicht tun. Die Frage, die sie sich unaufhörlich selbst stellte, war allerdings: warum. Warum verließ sie diesen Ort nicht? Warum verließ sie ihn nicht?
Und warum schien ihm selbst die Vorstellung genauso zu widerstreben, jedes Mal, wenn sie davon sprach zu gehen?
Annwyl lächelte, als sie daran dachte, wie ihr kleiner Raum in seiner Höhle immer besser eingerichtet wurde. Zuerst waren es nur ein Bett zum Schlafen und ein Esstisch für sie gewesen. Danach erschienen mehrere gepolsterte Stühle. Dann ein Teppich. Dann ein Wandbehang. Ein paar hübsche silberne Kerzenleuchter mit süß duftenden Kerzen.
Er wollte, dass sie sich wohlfühlte. Zu Hause. Überraschenderweise fühlte sich die Höhle der Bestie mehr wie ein Zuhause an als jeder andere Ort, an dem sie gelebt hatte, seitdem sie als Kind zu ihrem Vater geschickt worden war.
Nein. Sie konnte dem Drachen seine Freundlichkeit niemals zurückzahlen. Vielmehr gehörte ihr Leben bereits ihm. Und doch spürte sie keine Furcht. Auch wenn sie es eigentlich sollte. Er konnte alles von ihr verlangen als Rückzahlung für ihre Blutschuld. Nein, sie fühlte etwas ganz anderes als Furcht. Vorfreude.
Annwyl blieb stehen, in ihrer stillen Träumerei unterbrochen. Sie hatte den Kampf schon gespürt, bevor sie das Klirren von Schwertern und die Schreie sterbender Männer gehört hatte. Sie wusste, dass sie noch nicht all ihre Kraft zurückgewonnen hatte, aber sie musste nachsehen. Musste wissen, ob die Männer ihres Bruders in die Schlucht des Drachen vorgedrungen
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