Dragon Kiss (epub)
Gedanke, dass Fearghus etwas – irgendetwas – passieren könnte, brachte ihre Wut direkt unter der Oberfläche zum Brodeln. Mit leiser Stimme, den Zorn kaum zurückhaltend, antwortete sie: »Ihr solltet beten, dass das nie passiert, Mylady. Denn wenn er stirbt und ich überlebe, werde ich diese Welt mit meiner Wut in Stücke reißen. Und niemand wird sicher sein. Das verspreche ich Euch.«
Die Königin sah Annwyl lange an. »Du bist ein interessantes … Ding. Ich glaube, ich verstehe, was mein Sohn in dir sieht.«
Annwyl schluckte. »Sohn?«
»Hast du das nicht gewusst?« Annwyl schüttelte langsam den Kopf. »Ja. Ich denke, alle meine Kinder sind wenig beeindruckt von ihrem Rang unter den Drachen.«
»Ja. Offensichtlich sind sie das.«
Daraufhin lächelte die Königin, und Annwyl musste sich zurückhalten, um nicht aus dem Raum zu rennen. Ihr Lächeln entblößte eine furchterregende Zahnreihe – es sah aus, als wären es Hunderte. Hauptsächlich Reißzähne. Die Drachenkönigin ging auf die andere Seite der Höhle und griff in eine kleine Nische. Sie wühlte darin herum und holte einen kleinen, glänzenden Gegenstand heraus. Sie ging zu Annwyl hinüber und hielt ihr das Objekt hin.
Annwyl nahm es aus der weißen Klaue. Sie untersuchte es genau. Eine Halskette, gefertigt aus starkem, aber extrem dünnem, silberfarbenem Metall, das zu einem komplizierten Muster gebogen war, indem die dünnen Drähte um- und durcheinanderwirbelten.
»Zieh dein Hemd aus und leg es an. Es muss direkt auf der Haut aufliegen.«
Annwyl folgte der Anweisung der Königin, zog rasch ihren Wappenrock und das Hemd aus und legte die Kette direkt an ihren Halsansatz. Sie lag flach auf ihrem Schlüsselbein und dem oberen Teil ihrer Brust auf, während zwei dünne Stränge um ihren Hals verliefen und im Nacken geschlossen wurden. Sie zog sich schnell wieder an, erpicht darauf, dort wegzukommen, da der Tagesanbruch und damit der Kampf für ihr Volk näher rückte. Sie betete, dass es keine weiteren Fragen mehr gäbe.
»Na, wie passt es?«
Annwyl nickte. »Gut. Und das wird mich vor Hefaidd-Hen schützen?«
»Nein. Das wird dir nicht helfen.« Annwyl seufzte entnervt. Warum sollte sie dann ihre Zeit damit verschwenden, Schmuckstücke anzulegen? Doch bevor sie diese Frage stellen konnte, legte die Königin den Kopf schief. »Das wird dir nicht gegen Hefaidd-Hen helfen, aber dies hier.«
Annwyl sah auf und sah die Königin eine Flammenkugel entfesseln, die sie aus dem Raum schleuderte.
Morfyd und ihre drei Geschwister warteten vor dem Gemach der Königin. Éibhear, der jüngste Bruder, hüpfte aufgeregt um sie herum. »Wann gehen wir? Wann? Wann?«
Briec sah ihn ruhig an. »Wenn du diese Frage noch einmal stellst, rasieren wir dir den Kopf … noch einmal.«
Éibhear versank in mürrisches Schweigen, während Morfyd sich fragte, was das Mädchen so lange da drin tat. Sie riskierte Fearghus’ Zorn, indem sie Annwyl hierher zur Königin gebracht hatte. Die Chancen standen gut, dass das Mädchen nicht überleben würde. Aber sie musste es riskieren, und Annwyl hatte ihr zugestimmt. In den mehr als zweihundert Jahren ihres Lebens hatte sie nie einen mutigeren Menschen kennengelernt. Einen, der bereit war, sich der Königin der Drachen zu stellen. Und Morfyd hatte sie gewarnt. Gewarnt, dass die Königin keine Sympathie für Menschen aufbrachte. Annwyl hatte gelacht. Nicht abschätzig – aber nachdem sie sich gegen Bercelak gewehrt hatte, klang fehlende Sympathie in ihren Ohren nicht besonders beängstigend. Also ging sie allein hinein, um sich dem einen Wesen zu stellen, das sie schützen oder sie auf der Stelle in Asche verwandeln konnte.
Morfyd hatte immer noch keine Ahnung, welches von beidem die Königin wählen würde. Sie hatte vor langer Zeit die Versuche aufgegeben, ihre Launen erraten zu wollen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass ihre Vorliebe für Fearghus das Mädchen am Leben erhielt.
Die Geschwister hörten auf zu reden. Sie hörten es alle. Das unverwechselbare Geräusch von Luft, die in Lungen gesogen wurde. Sie wandten sich einander zu, gerade als der Feuerball aus dem Gemach geflogen kam. Er traf die Wand und krachte auf den Boden.
»O ihr Götter! Annwyl!« Morfyd und Gwenvael hasteten zu Annwyl hinüber, die sich auf dem Boden wälzte, um die Flamme zu ersticken. Doch bis sie bei ihr waren, war die Flamme verschwunden.
Nein. Das war nicht richtig. Sie verschwand nicht. Sie drang in sie ein. Ihre Haut saugte
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