Dragon Sin: Roman (German Edition)
auf ihrem Rücken befestigt war. »Und wo ist dein eigener Speer?«
Rhona warf einen Blick hinüber zu dem Blitzdrachen, der hinter ihrem Vater gelandet war. »In Stücke gehauen«, meinte sie vorwurfsvoll.
»Das war ein Unfall«, gab Vigholf zurück. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass es mir leidtut.«
»Aber du hast es nicht ernst gemeint!«
»Mach dir keine Sorgen«, besänftigte ihr Vater sie. »Ich habe etwas für dich.« In seinen braunen Augen glitzerte es. »Etwas viel Besseres.«
Rhona grinste und verspürte eine tiefe Erregung. »Was? Sag es mir.«
»Komm erst einmal an. Ich vermute, dass du aus einem bestimmten Grund hier bist. Wenn du alles erledigt hast, findest du mich in der Schmiede.«
Ihr Vater lächelte sie an und strich ihr mit seiner Klaue über die Wange. »Ich bin froh, dass du wieder hier bist, Kleines. Wirst du lange bleiben?«
»Vermutlich machen wir uns schon morgen auf den Rückweg.«
»Dann müssen wir das Beste aus der Zeit machen, die uns verbleibt.«
9 »Wir reisen schon morgen wieder ab?«, fragte Vigholf Rhona, als ihr Vater gegangen war. »Glaubst du nicht, dass wir hier gebraucht werden?«
»Es sei denn, meine Befehle ändern sich …«
»Schon gut, schon gut.« Diese Frau und ihre verdammten Befehle! »Ich will die Burg bloß nicht ohne Verteidigung zurücklassen.«
Ganz kurz sah er die Sorgen in Rhonas Miene, doch dann schritt eine der Kyvich zwischen ihnen hindurch, ohne den viel größeren Drachen um sie herum Beachtung zu schenken. Die Hexe trug einen männlichen Kopf in den Händen. Es schien ein Ausländer zu sein, aber … »Jesella«, rief die Hexe und warf den Kopf einer anderen Hexe zu. »Du weißt, was du damit zu tun hast. Heute Nacht haben wir Vollmond.«
»Wo ist der Rest des Leichnams? Es ist dir doch wohl klar, dass ich auch Finger und Zunge brauche!«
Rhona grinste Vigholf zu. »Ich reise morgen ab«, sagte sie und schritt davon.
Er schaute ihr nach. Es war ihm unmöglich, sie zu durchschauen. Sie konnte so fürsorglich sein, und dann wieder war sie kalt und gleichgültig und hielt sich an ihren Befehlen fest.
»Lord Vigholf?«
Vigholf richtete seinen Blick nach unten und lächelte. »Lady Dagmar.«
Dagmar Reinholdt – die Nordland-Frau, die sein Bruder Ragnar unter seine Fittiche genommen, die er erzogen und so hinterhältig gemacht hatte, wie er selbst manchmal sein konnte. Damals hatte Vigholf den Grund dafür nicht gekannt. Er hatte an Dagmar Reinholdt mit ihrem ausdruckslosen Gesicht und dem kleinen Körper nichts Bemerkenswertes gefunden. Er hatte vermutet, dass Ragnar sie als sein Spielzeug haben wollte. Nicht aus sexuellen Gründen – dafür war sie viel zu jung gewesen, und Vigholf hätte es nicht erlaubt –, sondern zur allgemeinen Unterhaltung. Wie ein Hündchen oder ein Kätzchen. Doch Ragnar hatte sich zu sorgfältig mit ihrer Erziehung, ihrer Gesundheit und den Fähigkeiten ihrer möglichen Gemahle beschäftigt.
Während der letzten Jahre hatte Vigholf jedoch allmählich begriffen, was sein Bruder an diesem Kind und später an dieser Frau fand und warum die Nordländer – diese harten, grausamen Männer, die sich selten einschüchtern oder ängstigen ließen – sie ohne jede Ironie »Das Biest« genannt hatten. Denn Dagmar Reinholdt war brillant. Sie war eine geborene Strategin und Politikerin, trug Logik und Vernunft als ihre Rüstung und trieb ihre politischen Spiele mit den höchstrangigen Monarchen und den Gerüchten nach auch mit den Göttern. Ihr Verstand war eine so tödliche und bösartige Waffe, dass Vigholf inzwischen froh war, Dagmar Reinholdt auf seiner Seite zu haben.
»Du musst kurz vor dem Verhungern stehen, Mylord.«
»Das stimmt, aber als Erstes würde ich gern meine Mutter sehen.«
»Sie ist in Devenallt zusammen mit den anderen Drachinnen aus den Nordländern. Ich habe ihr eine Nachricht geschickt, und sie wird bald hierhereskortiert werden. Bis dahin kannst du dir etwas zu essen besorgen.« Sie deutete auf die Burg.
Vigholf kannte diesen Ton. Bei Ragnar hörte er ihn andauernd. »Keine Diskussion, Mylady, oder?«
Ihr Lächeln war schwach – und kalt. »Nein, Mylord.«
Rhona befand sich in menschlicher Gestalt nackt an dem See, an dem ihre Sippe lagerte, und betrachtete die vielen Narben, die ihren Körper bedeckten. »Ich sehe aus wie ein verdammtes Nadelkissen«, murmelte sie.
»Rhona?«
Rhona drehte sich um und lächelte. »Hallo, Talaith.«
»Können wir miteinander reden?«, fragte die
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