Dragon Sin: Roman (German Edition)
starrten einander an.
»Danke«, murmelte er.
»Gern geschehen«, erwiderte Rhona; dann traf eine große Faust Vigholf am Hinterkopf und stieß ihn vorwärts.
Rhona flog aus dem Weg, als Vigholf wegen des Schlags einer silbernen Klaue gegen seinen Hinterkopf plötzlich auf sie zutaumelte. Dann tauchte eine zweite Faust auf – dieses Mal eine schwarze, traf den Blitzdrachen und zwang ihn zurück. Aber das waren keine feindlichen Drachen, die ihnen zu den Dunklen Ebenen gefolgt waren – es waren Onkel Addolgar der Silberne und – gute Götter! – ihr Vater!
Während die beiden Männer Vigholf erbarmungslos verdroschen, drückte Rhona ihren Speer in Keitas Hände und beachtete deren königliches Aufkreischen nicht, als die Waffe sie fast zu Boden gezogen hätte. Rasch warf sich Rhona zwischen die kämpfenden Männer.
»Daddy! Addolgar! Nein!«
Ihr Vater hielt sofort inne, aber Addolgar trat Vigholf ins Gesicht, und der Blitzdrache überschlug sich in der Luft.
Sie zuckte zusammen; der Nordländer tat ihr leid. Aber ihren Vater wiederzusehen …
Herzlose Frau! Er wurde von dem Verwandten dieser Dirne zusammengeschlagen, und anstatt ihm zu Hilfe zu eilen, war sie damit beschäftigt, irgendeinen verdammten Feuerspucker zu umarmen. War das etwa Loyalität?
Der ältere Silberdrache hatte sein Breitschwert hervorgeholt und zielte damit auf Vigholfs Kopf. Vigholf zerrte seinen Hammer aus der Halterung am Rücken und wirbelte ihn durch die Luft, um damit den Schwerthieb zu parieren. Sollte er dabei allerdings zufällig den Kopf des Drachen erwischen …
Doch bevor Vigholfs Hammer irgendetwas treffen konnte, wurde er gepackt und mit starker Klaue festgehalten, genau wie das Schwert des anderen Drachen.
»Meine Tochter hat befohlen, dass ihr aufhört«, sagte der große schwarze Drache, dessen Schuppen rote Spitzen hatten. »Also werdet ihr aufhören. Auch du, Addolgar.«
Der Silberdrache knurrte und zog sein Breitschwert weg. »Jemand hätte uns warnen sollen, dass du herkommst, Nordländer. Ich dachte, du bist eine Bedrohung. Habe nicht gleich erkannt, dass du bloß weiterer Blitzdrachenabschaum bist.«
»Ich bin so froh über den Waffenstillstand mit euch«, murmelte Vigholf und wischte sich das Blut ab, das aus seinen Nasenlöchern tropfte.
»Onkel Addolgar hat in mindestens drei Kriegen gegen die Nordländer und auch gegen deinen Vater gekämpft«, erklärte Rhona. »Du darfst es also nicht persönlich nehmen, wenn er dich als wertlosen Abschaum ansieht.«
Vigholf starrte sie an. »Sollte das etwa eine hilfreiche Bemerkung sein?«
»Ich werde euch eskortieren«, sagte der schwarze Drache zu ihnen allen. Sein Grinsen erinnerte Vigholf an Rhona. »Dann kommt der Blitzdrache sicher an, ohne auf dem Weg zur Rede gestellt zu werden. Das arme, kleine, schwache Ding.«
»Daddy«, sagte Rhona. Es klang wie ein ganz leichter Tadel.
Der Drache lachte, nahm der überforderten Keita den Stahlspeer ab und warf ihn Rhona zu. Dann flog er auf die Insel. Keita und Ren waren direkt neben ihm. Vigholf packte Rhona am Arm. »Daddy?«
»Sei froh, dass er hier ist, Blitzdrache. Er ist einer der wenigen, die stark genug sind, meinen Onkel Addolgar aufzuhalten.«
Rhona überflog die Tore und landete im Innenhof der Burg.
Das Gebiet um die Burg herum war nicht mehr so, wie Rhona es in Erinnerung hatte. Statt des fröhlichen Ortes mit all den Händlern im Hof und vor den Burgmauern fand sie nun einen militärischen Außenposten vor. Waffen, die zur Verteidigung gegen eine Belagerung dienten, säumten die Innenseite der Mauern, und jemand hatte damit begonnen, einen Burggraben anzulegen. Nur ein kleiner Teil war bisher fertiggestellt, doch schon schwamm etwas Lebendiges und ziemlich unfreundlich Aussehendes im trüben Wasser.
Nein. Das war nicht der Ort aus ihrer Erinnerung.
Rhona nickte ihren Cousinen und Vettern zu, lächelte Onkel und Tanten an, aber es war ihr Vater, zu dem sie lief und in dessen Arme sie sich warf.
»Mein Mädchen«, flüsterte Sulien der Schmied und hielt sie fest. »Mein wunderschönes Mädchen.«
»O Daddy, ich habe dich so vermisst.«
»Ich dich auch.« Er trat zurück, betrachtete sie und lächelte. »Du bist so schön geworden.«
Sie gab ihm den stählernen Speer, der fast den Blitzdrachen aufgespießt hätte. »Das ist keiner von deinen«, bemerkte sie.
»Du kennst meine Arbeit.« Er beugte sich vor und flüsterte: »Der hier ist minderwertig.« Er deutete auf den Ersatzspeer, der noch
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