Dragon Sin: Roman (German Edition)
gehalten hat.«
»Aha. Und das rechtfertigt alles.«
»Soweit es die Nordländer betrifft, ja.« Er folgte ihr. »Jetzt weißt du, wie meine Haltung zu dir ist und wie sie von Anfang an war. Die Tatsache, dass du eine Cadwaladr bist, muss ich wohl einfach hinnehmen.«
»Hinnehmen …« Nein. Sie sollte sich nicht abermals in ihre Wut hineinsteigern, sonst würde sie ihn gleich wieder schlagen. Also holte Rhona tief Luft und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wann hat dieses große Verlangen bei dir eingesetzt? Vor einer Stunde? Oder vor zwei Stunden? Als du mich heute Morgen geküsst hast?«
»Nein. In der Nacht, in der du dich mit deinen Cousinen auf der Insel Garbhán betrunken hast.«
Rhona rollte mit den Augen und erinnerte ihn: »Und wann war das? Vor zwei Tagen?«
»Nein, ich meine das erste Mal, als ich, Ragnar und Meinhard Éibhear und Keita aus den Nordländern und den Dunklen Ebenen herbrachten.«
Sie runzelte die Stirn. »Bei allen Höllen, wovon redest du?«
»Ich saß in der Nacht da und schaute aus dem Fenster … und trauerte meinen verdammten Haaren nach.« Gute Götter, was für einen bösen Blick erntete sie, als sie kurz auflachte. »Als ich all diese Drachen im Tiefflug gesehen habe – ihr alle trugt aus irgendeinem Grund Augenklappen – und du plötzlich Keita wie einen Sack Getreide fallen gelassen hast.« Rhona zuckte bei dieser Erinnerung zusammen. Nicht weil sie Keita fallen gelassen hatte, sondern beim Gedanken an die lächerlichen selbstgemachten Augenklappen, aber das würde eine lange Erklärung erfordern, die sie jetzt nicht geben wollte.
»Die anderen sind über das Gebäude hinweggeflogen, doch du bist gegen die Wand neben meinem Fenster geprallt. Du hast die Steine mit deinem harten Schädel beschädigt.«
»He!«
»Aber ich konnte nur denken: ›Was für ein süßes Drachenschwänzchen sie hat.‹ Und weißt du warum? Weil ich dieses Drachenschwänzchen haben wollte. Und da du die Einzige zu sein scheinst, die das nicht weiß – nicht einmal nach diesem verdammten Kuss – will ich es ganz klarmachen.« Er stellte sie vor sich und schrie: »Ich will dieses Drachenschwänzchen haben!«
Rhona stieß die Luft aus, machte einen Schritt weg von ihm und drehte ihm den Rücken zu.
Vigholf biss die Zähne zusammen und war wütender auf sich selbst als auf sie. So hatte er das nicht geplant. Aber diese Frau war so verdammt frustrierend und verwirrend, dass er nicht mehr wusste, was er tun sollte – und wie sie reagieren würde.
Wer hätte beispielsweise geahnt, dass sie ihm den Schaft ihres götterverdammten Speers in die Kniekehlen rammen und ihn damit zu Fall bringen würde? Und ihm dann die Spitze an die Kehle setzen?
Genau das tat sie nämlich.
Vigholf sah auf und betrachtete ihr hübsches Gesicht mit der kleinen Narbe an der Wange.
»In Ordnung«, sagte er und versuchte sich nicht zu bewegen. »Ich bin ein Trottel. Aber das ändert nichts an dem, was ich für dich empfinde, Rhona.«
»Gut. Das macht es ein bisschen leichter, nicht wahr?«
Dann beugte sie sich herunter und küsste ihn – was Vigholf umso mehr verwirrte.
19 All das wäre so viel einfacher gewesen, wenn Vigholf nur ein Mal ein wenig deutlicher geworden wäre. Sich über ihren Speer zu beschweren und sie Babysitterin zu nennen, war nicht gerade die beste Art und Weise, das eigene Interesse zu bekunden. Zumindest nicht für Rhona.
Denn Rhona war nicht für Feinheiten, und auch bei anderen erkannte sie Feinfühligkeit nicht. Mehr noch: Sie konnte nicht damit umgehen. Sie war eine direkte Drachin und erwartete, dass die anderen ebenfalls direkt zu ihr waren.
Sobald sie sich über seine Absichten im Klaren war, konnte sie diese verstehen. Der Rest war nun ganz einfach. Zumindest für sie.
Rhona küsste ihn. Heftig. Ihre Zunge glitt in seinen Mund, schmeckte ihn, reizte ihn, ihre Lippen pressten sich verzweifelt gegen die seinen, und ihre Intensität überraschte sie selbst. Aber etwas an diesem Drachen mochte sie wirklich sehr gern. Vielleicht lieber, als sie es sich eingestehen wollte. Doch jetzt, hier draußen, weit weg von allen Kriegen, Schlachten, Truppen und Sippschaften und all den anderen Ablenkungen, die einem den Tag verderben konnten, war Rhona in der Lage, nur an eines zu denken – an sich und Vigholf.
Nie zuvor hatte sie sich so gut gefühlt.
Vigholf hatte nicht erwartet, dass sie ihn küssen würde. Ihr Kuss war intensiv und fordernd und drückte genau das aus, was Vigholf
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