Dragon Touch
sagte: »Hör nicht auf die anderen. Ich weiß, dass
du deine Sache im Norden ganz großartig machen wirst. Sei nur vorsichtig und
pass auf dich auf, Gwenvael.«
In diesem Augenblick hatte er gewusst, dass sie mehr an
ihn glaubte als sein eigen Fleisch und Blut. Sie vertraute ihm ihr Leben und
das ihrer Babys an. Und wenn er so weit nach Norden gehen musste, dass er das
verbotene Eisland betrat – er würde es tun. Er würde nicht zulassen, dass
Annwyl etwas zustieß.
Er ging zum Höhleneingang, blieb einen Moment dort stehen
und starrte hinab auf die Landschaft, die sich unter ihm erstreckte, bis ihm
ein wohlbekannter Geruch in die Nase stieg. Er hätte ihn früher wahrnehmen müssen,
aber er war tief in Gedanken versunken gewesen, und jetzt hatte er nur noch
einen Augenblick, um die Schatten um sich herum zu nutzen. Es war ein Geschenk,
das ihm sein geliebter Großvater Ailean vererbt hatte: Gwenvaels Schuppen
änderten ihre Farbe, bis er mit den Schatten der Höhle verschmolz.
Es war auch höchste Zeit, denn Sekunden später kamen sie
in Sicht. Vier von ihnen, alle groß, kräftig und … lila.
Blitzdrachen. Auch Hordendrachen genannt. Er hatte zum
ersten Mal während eines Krieges vor fast einem Jahrhundert gegen sie gekämpft.
Sie waren Barbaren, aber mächtige Krieger, und er hatte bleibende Narben, die
das bewiesen.
Heutzutage mochten manche sagen, dass die Blitzdrachen in
Frieden mit den Drachen der Südländer lebten, doch das war nicht einmal im
Entferntesten wahr. Es war ein Waffenstillstand, aber ein labiler, der jeden Augenblick
ganz leicht gebrochen werden konnte. Was einen neuen Kriegsausbruch
verhinderte, war allein die Tatsache, dass die Blitzdrachen in Lehen
aufgesplittert waren, ähnlich wie die Menschen der Nordländer. Sie betrachteten
sich nicht als Monarchen, sondern als Warlords. Oft waren sie so damit
beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen, dass sie kaum die Energie oder Zeit
hatten, die Armeen der Drachenkönigin der Südländer anzugreifen.
Dennoch hatte sich Gwenvael auf dem Weg zu seinem Ziel
vorsichtig durch ihre Territorien bewegt. Olgeir der Verschwender kontrollierte
die Äußeren Ebenen – die Grenzgebiete zwischen dem Norden und dem Süden – sowie
das Gebiet, das sich mit dem Land der Reinholdts überschnitt, und er hatte sich
nie besondere Mühe gegeben, einen Hehl aus seinem Hass gegen Königin Rhiannon
zu machen. Er hielt den Waffenstillstand ein, aber er tat es nicht gern. Und
Gwenvael zweifelte nicht eine Minute daran, was Olgeir tun würde, falls er
einen von Rhiannons männlichen Nachkommen auf seinem Territorium erwischte. Vor
allem den, den die männlichen Hordendrachen den »Verderber« nannten.
Die Blitzdrachen flogen an der Höhle vorbei, nur einer
hielt inne und schwebte vor dem Eingang.
Gwenvael rührte sich nicht und vermied jedes Geräusch. Er
würde den Mistkerl sicherlich nicht angreifen. Er war nicht hier um zu kämpfen,
und er war auch nicht so dumm zu denken, er könne sich mit einem Spähtrupp von
Blitzdrachen anlegen und unversehrt aus dem Kampf hervorgehen.
Der Blitzdrache schnüffelte und kam ein kleines bisschen
näher. Genauso wie Gwenvael den Blitz in dem Barbaren riechen konnte, konnte
der Barbar das Feuer in Gwenvael riechen.
Also kauerte sich Gwenvael langsam und zum Sprung bereit
nieder, bereitete seinen Körper und seine Flamme zum Angriff vor.
Der Blitzdrache war kurz davor, die Höhle zu betreten, als
Gwenvael das Krächzen einer Krähe über dessen Kopf hörte. In den Nordländern
gab es anscheinend massenweise Krähen. Und in diesem Moment war Gwenvael
dankbar wie nie zuvor, als der Krähendreck ganz ungeniert auf der Schnauze des
Blitzdrachen landete.
Der Drache versuchte schielend, ihn zu sehen und knurrte:
»Du kleiner Mist …«
»Komm schon, du Idiot!«, schrie eine andere Stimme von
weiter weg. »Beweg dich!«
Sich den Dreck aus dem Gesicht wischend, folgte der
Blitzdrache seinen Kameraden.
Mit einem tiefen Seufzer stand Gwenvael am Höhleneingang
und sah hinauf zu den Krähen. Es mussten Hunderte von ihnen sein, die auf den
Ästen und Kletterpflanzen saßen, die aus der felsigen Oberfläche des Berges
ragten.
»Vielen Dank dafür«, sagte er freundlich. Als Antwort
erleichterte sich eine zweite Krähe, und Gwenvael trat hastig einen Schritt
zurück. »He, ihr kleinen Scheißer! Passt auf meine Haare auf!«
Dass all diese verdammten Vögel anfingen, ihn auszulachen,
gefiel ihm gar nicht.
4 Dagmar verließ die
Weitere Kostenlose Bücher