Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Unternehmens mit ihrem eigenen Lebensstil zelebriert hatten. Links des Eingangs lag eine große Pferdekoppel, die nahtlos in die Landschaft überging. Die Bauherren hatten es verstanden, ihre Residenz in unmittelbarer Nähe zum Werk zu erbauen und zugleich die Villa so auszurichten, dass der Blick nur vom Portal aus auf den Industriekomplex und ansonsten in die Natur fiel, die die Lage des Hauses zum Idyll machte.
Sascha Sadowski war um die 40, ein schlanker kultivierter Mann mit besten Manieren. Er empfing Marie und Stephan, führte sie in den Flur des Hauses, der breit und mit hohen Decken vom Portal bis zur hinten liegenden Küche verlief. Nach links wiesen große getäfelte Türen zur früheren Bibliothek und zum Wohn- und Kaminzimmer. Nach rechts führte ein Gang in einen Anbau, und geradeaus – vis-à-vis zum Wohnzimmer – gingen großflächige hohe Sprossenfenster mit eingelassenen Türen zum großzügigen Innenhof hinaus, der sich in der warmen Vormittagssonne präsentierte. Von dort aus zeigte sich das gesamte Anwesen als ein in U-Form errichtetes Gebäude, das es gestattete, wie in einer geschlossenen Hofanlage zu leben. Marie und Stephan waren von dem Ensemble beeindruckt, das nach Sadowskis Worten gern dazu benutzt wurde, Hochzeitsfeiern auszurichten, und oft von Firmen wegen der im Obergeschoss gelegenen Seminarräume gebucht wurde. Er stellte die Villa Wolff im Einzelnen vor, die ihm zwar nicht gehörte, der er jedoch seine ganze Aufmerksamkeit schenkte und mit geschultem Auge für die Bedürfnisse seiner Gäste allen Anlässen einen würdigen Rahmen verlieh und die Villa passend zu ihren Besuchern zur feinen Kulisse herauszuputzen verstand, in der sich die Gäste heimisch fühlen durften.
Sascha Sadowski führte sie in das Wohn- und Kaminzimmer. Es war trotz der großen, zur Pferdekoppel weisenden Fenster ein auch bei Sonnenlicht eher dunkler Raum, der durch seine Raumhöhe, die Kandelaber an den Decken und die wuchtigen großen Ölbilder an den Wänden, die im Stil früherer Zeiten die führenden Familienmitglieder der Familie Wolff in kräftigen gedeckten Farben porträtierten, bewusst mächtig auf den Betrachter wirkte. Hier hatte sich der Hausherr präsentiert, hier hatte er einst Gäste empfangen und sie mit der Aura der Macht und dem Glanz seines Reichtums umwoben. Hier dokumentierten sich Leistung und Erfolg der Industriellenfamilie, hier wurde philosophiert, gegessen, getrunken und geraucht. Hier wurden früher die Geschäfte besiegelt.
»Dieser Raum wurde also am Freitag, dem 16. Dezember, von einem Herrn Drauschner angemietet«, staunte Stephan.
»Für sechs Personen«, bekräftigte Sadowski lächelnd. »Er hatte ausdrücklich gewünscht, hier in dem großen Zimmer einzudecken. Der große runde Tisch mit sechs Stühlen sollte genau in der Mitte stehen. Alle anderen Tische und Stühle sollten entfernt werden. Ich hatte erst die kleinere Bibliothek nebenan für das geplante Essen vorgeschlagen, aber das hat Herr Drauschner abgelehnt.«
»Wie kam es zu dem Auftrag?«, fragte Stephan.
»Drauschner kam Ende November letzten Jahres in die Villa. Ich erinnere mich noch genau. Es war ein Samstagnachmittag. Wir richteten eine Hochzeitsfeier aus und waren in den letzten Vorbereitungen. Meine Mitarbeiterinnen und ich legten letzte Hand bei den Tischdekorationen an. Die Gäste waren noch nicht da, wurden aber in der nächsten Stunde erwartet. Plötzlich stand Drauschner im Raum. Offensichtlich war er über den Hof durch die Terrassentür ins Haus gekommen, die wir wegen der erwarteten Gäste nicht abgeschlossen hatten. Ich fragte ihn nach seinen Wünschen, und er antwortete, dass er die Villa für einen Abend buchen wolle. Nach seinen Worten vermutete ich, dass er eine große Gesellschaft ausrichten wollte, und meinte, dass man dies doch besser in Ruhe planen solle, und habe ihm ein Gespräch für den kommenden oder einen anderen Tag angeboten. Aber er bestand darauf, alles jetzt zu regeln. Es gehe auch ganz schnell. Ich wollte eigentlich nicht meine Arbeit unterbrechen, zumal die Zeit drängte. Andererseits winkte ein gutes Geschäft. Also habe ich eingewilligt, und wir haben uns für einige Minuten in die Küche gesetzt. Er bekam einen Kaffee, und ich fragte nach seinen Vorstellungen. Drauschner wollte einen Freitag in der zweiten oder dritten Dezemberwoche. Es war nur der 16. Dezember frei, denn der 9. Dezember war schon mit einer Weihnachtsfeier belegt. Mit dem 16. Dezember war er
Weitere Kostenlose Bücher