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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ihrem Schwager jemals begegnet bin. Ich verlasse mich auf das, was mir zugetragen wurde oder ohne großen Aufwand ermittelt werden konnte. Lieke van Eyck schien eine Frau gewesen zu sein, die nicht viele soziale Kontakte pflegte. Ihre überschaubare Privatsphäre war jedoch offensichtlich gut strukturiert, gefestigt und ohne Brüche. Welches Motiv sollte ihre Schwester, welches Motiv ihr Schwager gehabt haben, ihr etwas anzutun? Also kam nur das berufliche Umfeld in Frage. Ich habe mich ihrer Arbeitskollegin genähert, sogar bei ihr im Unternehmen vorgesprochen und mich als Schulfreund des Vaters von Lieke ausgegeben, der aus der Zeitung von ihrem Tod erfahren hatte und nach vermeintlich längerem Auslandsaufenthalt jetzt noch etwas über die näheren Umstände ihres Todes wissen wollte. Ich kam der Nachfrage der Arbeitskollegin zuvor und behauptete, ihre Schwester und ihren Schwager nicht angetroffen zu haben, weil die beiden offensichtlich beruflich wegen ihrer Unternehmensberatung unterwegs seien. Das Streuen dieser Informationen, angereichert mit der wie zufälligen Erwähnung des Geburtstages von Lieke, den ich aus der Todesanzeige kannte, die ich im Zeitungsarchiv gefunden hatte, brachte die Frau zum Reden. Besser gesagt: Dies brachte sie zum Weinen, denn außer der Trauer über den Verlust ihrer offensichtlich von allen hoch geschätzten, immer zuverlässigen, pünktlichen, adrett gekleideten und wie aus dem Ei gepellt daherkommenden Kollegin wusste sie nichts zu berichten, was in irgendeiner Weise Anhaltspunkte für den behaupteten Mordanschlag lieferte. Also ging ich wieder und beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ich war schon eher wütend auf mich selbst, dass ich auf diesen dürren Hinweis wie ein Feuermelder angesprungen war. Dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hatte, war mir bekannt, und ich darf sagen, dass ich sogar den Akteninhalt kenne.«
    »Wie sind Sie denn an die Akten gekommen?«, fragte Stephan überrascht. »Sie waren doch nie am Verfahren beteiligt und haben deshalb kein Akteneinsichtsrecht.«
    »Akteneinsichtsrecht«, wiederholte Wanninger belustigt. Er nahm seine Hand von der Bankrückenlehne, streckte seine Beine vor und rutschte zugleich tiefer in die Bank. Er verschränkte die Arme vor der Brust, schloss die Augen und grinste.
    »Akteneinsichtsrecht! – Lieber Herr Knobel, ich hätte nie meinen großen beruflichen Erfolg gehabt, wenn ich Akten, die in irgendwelchen Behörden wie Staatsgeheimnisse gehütet werden, nur dann hätte studieren können, wenn mir ein Akteneinsichtsrecht zur Seite gestanden hätte. Seien Sie versichert: Ich habe die meisten Akten einsehen können, wann und so oft ich es wollte. Meine Welt ist die Welt der Information, und zwar die unmittelbare aus erster Hand. Was mir über Dritte zugetragen wird, ist meistens wertlos.«
    Marie erinnerte sich, im Internet gelesen zu haben, dass Wanninger vor etlichen Jahren einen Preis für seine rückhaltlose und fundierte Aufklärung in seiner journalistischen Tätigkeit bekommen hatte.
    »Und die Akten vermittelten Ihnen neue Erkenntnisse?«, fragte Stephan hörbar gereizt, der sich an Wanningers behäbiger Selbsthudelei stieß.
    »Nein, zuerst habe ich nichts entdeckt«, gab Wanninger zu und öffnete wieder seine Augen. »Man könnte auch sagen, ich war damals noch nicht genügend sensibilisiert.«
    Stephan unterdrückte die von Wanninger provozierte Nachfrage.
    »Dann kam vor rund drei Wochen ein zweiter anonymer Brief«, erzählte Wanninger. »Wie der erste mit einem Poststempel aus Frankfurt versehen. Und wie jener ohne Fingerabdrücke oder sonstige verwertbare Spuren. Klinisch sauber, sozusagen. – Sie können sich denken, dass ich Kontakte habe, um solche Dinge überprüfen zu lassen«, erklärte er, »ich muss mir nur meiner Sache sicher sein können. Nichts ist peinlicher, als wenn sich am Ende eine Geschichte als Ente erweist. So etwas ist immer der Tod eines Journalisten.«
    »Was stand in dem Brief?«, fragte Marie.
    Wanninger zog eine Kopie des Schreibens aus der Anzuginnentasche.
    »Soll Liekes Tod ungesühnt bleiben?«, las er vor. »Schwinden Ihre Ressourcen? Was machen Sie, wenn Ihnen das Material ausgeht? Gehen Sie immer wieder die alten Pfade? Was machen Sie, wenn man Ihnen den Hahn abdreht? Sehen Sie Ihrem Ende entgegen? Sie sind doch ein Mann der Fantasie, Herr Wanninger. Andere wissen, in solchen Fragen neue Wege zu gehen. Villa Wolff, 16. Dezember. Lieke wusste von

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