Drahtzieher - Knobels siebter Fall
wurde? Wir suchen doch alle immer einen Schuldigen.« Er lächelte. »Wir Polen wenden uns in diesen Fällen mehr an Gott als an die Sachverständigen.«
»Es war vor einiger Zeit schon einmal jemand da, der sich für diesen Wagen interessiert hat. Stimmt das?«, fragte Stephan.
»Stimmt«, nickte Swentowski. »Es war ein dicker, älterer Mann, der das Auto eingehend untersuchte. Er kratzte sogar etwas von der Schmutzschicht ab, die auf dem Auto war.«
Stephan betrachtete den Lack der unversehrt gebliebenen Teile der Karosserie.
»Allzu viel ist von diesem Dreck nicht mehr zu sehen«, fand er.
»Der Wagen stand die ganze Zeit draußen«, erinnerte Swentowski. »Über die Wintermonate ist viel durch Regen und Schnee abgewaschen worden. Aber einzelne Partikel und in den Lack eingefressene Flecken sind immer noch da. Dieser Mann, von dem Sie gerade sprachen, hat wohl zielgerichtet danach gesucht. Als er kam, hatte man nicht mehr sehen können, dass der Wagen zu dem Zeitpunkt, als er hier auf den Hof gebracht wurde, so beschmutzt war, als hätte man ihn unter einer Dusche mit einer feinen weißen Flüssigkeit bespritzt.«
»Aber das Heckfenster war sauber«, vergewisserte sich Stephan.
»Nicht nur das Heckfenster«, antwortete Swentowski. »Von der Frontscheibe war natürlich nichts mehr übrig und die Seitenfenster an Fahrer- und Beifahrertür sind, wie Sie sehen, auch zerstört. Aber die anderen Fenster waren ebenfalls ziemlich sauber, genau wie die Heckscheibe. Bis in die Ecken sogar. Normalerweise reinigt man ja verdreckte Scheiben nur so weit, dass man eben hindurchsehen kann. Also nicht bis in die hinteren Ecken und erst recht nicht die hinteren Seitenfenster. Jedenfalls nicht in dieser Gründlichkeit.«
»Typisch Lieke«, bemerkte Stephan leise.
Swentowski ging an das Fahrzeugwrack und öffnete den Kofferraum. Die Heckklappe federte ächzend nach oben. Im Kofferraum steckten ein Autoatlas, ein Warndreieck und eingeschweißte Gummihandschuhe sorgfältig in einem Seitennetz. Der Kunstfaserboden des Kofferraums war sorgfältig gesaugt. Seitlich lag ein Fensterwischer, mit dem offensichtlich das Fensterglas gereinigt worden war. An der Wischlippe haftete eine weiße verkrustete Substanz, die am Schaft heruntergelaufene getrocknete Schlieren hinterlassen hatte.
Marie betrachtete eingehend den Fensterwischer.
»Hat der Dicke in den Kofferraum gesehen?«, erkundigte sie sich.
Swentowski hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich war nicht die ganze Zeit dabei. Erinnern kann ich mich nicht.«
»Was meinst du?«, fragte Stephan.
»Es passt nicht zu Lieke, dass sie die Scheiben mit diesem Wischer gereinigt hat, ohne die Gummihandschuhe zu benutzen. Wir wissen, dass sie immer sehr auf Sauberkeit geachtet hat und den Wagen wöchentlich reinigen ließ. Wenn sie, wie in diesem besonderen Fall, gezwungen war, selbst Hand anzulegen, hätte sie dies nicht ohne die Schutzhandschuhe gemacht, die sie ja wahrscheinlich eigens für solche Zwecke im Wagen hatte.«
Marie deutete auf das Netz im Kofferraum.
»Dieses milchig weiße Zeug ist sogar am Schaft des Wischers heruntergelaufen. Man sieht es ganz deutlich. Lieke hätte dieses Ding niemals mit bloßen Händen angefasst.«
»Aber die Scheiben sind so gereinigt worden, wie es Liekes Sauberkeitssinn entsprach. Vollständig und bis in die Ecken«, sagte Stephan.
»Es könnte ja sein, dass jemand nach ihrer Anleitung die Scheiben gereinigt und danach diesen Wischer in den Kofferraum gelegt hat«, vermutete Marie. »Denn auch das passt nicht zu Lieke: Sie hätte den Wischer zumindest in eine Plastiktüte oder auf eine Unterlage in den Kofferraum, aber niemals das Gerät so auf den Kofferraumboden gelegt.«
»Vielleicht hat sie die Scheiben an einer Tankstelle reinigen lassen«, überlegte Stephan.
»Aber dort hätte man eigenes Reinigungsgerät benutzt«, war sich Marie sicher. »Es spricht mehr dafür, dass es jemand war, den Lieke gekannt hat. Denn wenn eine Tankstelle ausscheidet, kommt nur jemand in Betracht, der Liekes Wunsch, die Scheiben bis in die kleinsten Winkel zu reinigen, ohne Weiteres entsprochen hat. Das wird kein Fremder sein, der von Lieke um eine Gefälligkeit gebeten wurde. Wir sollten den Wischer mitnehmen und der Polizei geben«, schlug sie vor. »Wenn Liekes dubiose Fahrt nach Dortmund zu der geheimnisvollen Geschichte gehört, an die Wanninger glaubt, und Teil dieser Geschichte wiederum die Einbrüche in Liekes Wohnung sind,
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