Drahtzieher - Knobels siebter Fall
von Mandaten«, dozierte er süffisant, »es müssen nur die richtigen Mandate sein. Sie werden sich doch nicht etwa ThyssenKrupp geangelt haben, Kollege Knobel?«, frotzelte er, während Stephan den Umschlag entgegennahm. »Sie haben ThyssenKrupp doch nur in irgendeiner Sache als Gegner, oder?«, forschte er, insgeheim befürchtend, dass ThyssenKrupp tatsächlich zu Stephan gefunden haben könnte.
»Es bahnt sich etwas Größeres an«, meinte Stephan beiläufig und stieg die Treppen hinauf in sein Büro.
»Wir könnten in der einen oder anderen Sache auch zusammenarbeiten«, rief Löffke hinterher. »Konzerne sehen es gern, wenn die sie vertretende Kanzlei Manpower haben. Ein Einzelanwalt wirkt unprofessionell, Kollege Knobel! Nur eine große Kanzlei verkörpert Kompetenz.«
»Dann erkennen Sie, was mir unter diesen Umständen gelungen ist, werter Herr Löffke«, rief Stephan gönnerhaft durch das Treppenhaus nach unten. »Danke für das großzügige Angebot!«
Der Brief enthielt die erwartete Antwort des Vorstandsvorsitzenden von ThyssenKrupp, Dr. Fyhre. Man könne leider nicht behilflich sein. Das Unternehmen habe Tausende von Beschäftigten an den unterschiedlichsten Standorten. Es sei unmöglich, alle zu einem Bild zu befragen, dessen Bedeutung für den Tod von Lieke van Eyck sich für ihn auch nicht erschließen wolle. Dr. Fyhre bat höflich um Verständnis, dass man sich um diese Sache, wie er sich ausdrückte, nicht weiter kümmern könne. Zugleich zeigte er sich erfreut, dass sich Anne van Eyck anwaltlicher Hilfe bediene, und war überzeugt, dass nun gewährleistet sei, die Nachforschungen professionell zu betreiben. Abschließend bat der Vorstandsvorsitzende unmissverständlich darum, ihn und das Unternehmen in dieser Sache nicht um weitere Informationen zu bitten. Man sei ersichtlich nicht in der Lage, Hinweise zu geben, die zu der gewünschten Aufklärung der Umstände des Todes von Lieke van Eyck beitragen könnten. Dr. Fyhre hatte das Foto beigelegt, das er mit verbindlichen Grüßen zu seiner Entlastung zurückgab.
Stephan nahm Dr. Fyhres Schreiben mit dem Ausdruck des Fotos zu der nach wie vor dünn bleibenden Akte van Eyck und informierte Wanninger telefonisch von der erwarteten Reaktion des Unternehmens. Er erreichte den Journalisten über Handy. Im Hintergrund waren Fahrgeräusche zu hören.
»Hat er etwas zu meiner Person geschrieben?«, fragte Wanninger. »Sie hatten ihm doch mitgeteilt, dass Frau van Eyck das Foto von mir erhalten hatte.«
»Nein«, antwortete Stephan. »Er ist mit keinem Wort auf Sie eingegangen.«
»Finden Sie das nicht eigenartig?«
»Es scheint Dr. Fyhre nicht wichtig zu sein, woher das Foto stammt«, sagte Stephan. »Das Unternehmen will mit dieser Sache nicht behelligt werden.«
Wanninger reagierte nicht sofort. Stephan hörte durch den Hörer nur das Rauschen des Fahrtwindes. Wanninger fuhr mit geöffnetem Seitenfenster.
»Ich gehe einer Spur nach«, sagte er schließlich. »Besser gesagt, ich fahre ihr nach. Und ich bin zuversichtlich, dass ich fündig werde, Herr Knobel.«
»Welche Spur?«
»Das Gebäude auf dem Foto. Sie wissen schon: der Bildhintergrund. Hermann van Eyck hat mich unbewusst auf die richtige Fährte gebracht. Ich denke, dass es sich um eine Burg handelt. Habe da eine Vermutung, Herr Knobel. Wir dürfen uns nicht abwimmeln lassen. Denken Sie an meine Worte! Ich melde mich wieder.«
Wanninger brach die Verbindung ab, und Stephan sandte Dr. Fyhres Brief per Fax zur Kenntnisnahme an seine Mandantin.
15
Die Antwort von Kriminalhauptkommissar Schreiber kam am Spätnachmittag des folgenden Tages und viel schneller als erwartet. Man hatte den Fensterwischer kriminaltechnisch untersucht und sowohl Fingerabdrücke als auch genetische Spuren festgestellt. Sie waren identisch mit Spuren, die man bei dem Einbruch in die Wohnung von Lieke van Eyck in der Nacht vom 7. auf den 8. März und auch bei dem jüngsten Einbruch in das Hofgebäude sichergestellt hatte. Stephan hörte Schreiber die Überraschung deutlich an. Ihm waren Stephans Rückschlüsse, die letztlich diejenigen von Marie waren, zu fernliegend erschienen, als dass er ihre Richtigkeit ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Seine Zusage, den Wischer untersuchen zu lassen, war pflichtschuldig erfolgt, weil man bemüht war, jedem Hinweis zur Aufklärung dieser rätselhaft gebliebenen Einbrüche nachgehen zu wollen. Er erkundigte sich, ob Stephan noch heute zu ihm in die Dienststelle kommen
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