Drake (German Edition)

geistesgegenwärtig ihr Tripod auf den Rücken. Nun hatte sie wenigstens beide Hände frei und rutschte auf allen vieren den Hang hinunter.
    Es wäre ein Missgeschick gewesen, nichts weiter, wenn nicht die Unbekannte eine unbedachte Bewegung gemacht hätte. Es war eine instinktive, wenn auch nutzlose helfende Geste, die jedoch eines der Mädchen dazu veranlasste, ihr Tripod hochzureißen.
    Zu mehr kam sie nicht. Es folgten fünf trockene und knisternde Schläge, kaum wahrnehmbar. Khartum fiel auf die Seite und rutschte noch ein paar Meter weiter, bis sie mit einem letzten Überschlag auf dem Rücken zu liegen kam und leblos liegen blieb.
    Die anderen vier Mädchen knickten auf der Stelle ein und lagen Sekunden später ebenfalls mit verrenkten Gliedern im nassen Gras.
    Werfel zuckte erschrocken zusammen. In der Zentrale herrschte ein entsetztes Schweigen, nur der vorlauten Göre von Verotroicx entfuhr ein leises: »Sakra!«
    Die Kameras an den Protex der fünf Mädchen zeigten nur grünes Gras oder den blauen Himmel.
    »Ihre Bio-Daten sind alle im grünen Bereich«, sagte jemand von den Kontrollen her. »Sie sind nur bewusstlos.«
    »Sie kommt vom Hügel herunter.«
    Ein Scan an dem Cargo erfasste die schlanke Gestalt und folgte der Fremden. Langsam, beinahe majestätisch, setzte sie einen Fuß vor den anderen und kam auf das Cargo zu. Den bewusstlosen Mädchen schenkte sie keinen Blick. Schließlich blieb sie kurz vor dem Fluggerät stehen und betrachtete es ausgiebig mit ihren großen Augen. Dann trat sie näher heran und strich beinahe liebevoll über die Außenhülle. Anschließend ging sie zögernd einige Schritte an dem Cargo entlang, gerade so, als ob sie etwas suchen würde. Sie kam genau auf den Scan zu und strich dabei wieder mit einer Hand über die Hülle. Werfel hielt unwillkürlich den Atem an. Gleich würde sie direkt an der Optik des Scans ankommen. Die automatische Nachführung schaltete auf einen Weitwinkelbereich, als die Finger die Linse spielerisch umkreisten und wenig später respektlos auf die Oberfläche tippten. Die Fremde legte den Kopf zur Seite und kam nahe an das Objektiv heran. Mund, Nase und Augen wirkten unnatürlich verzerrt, sodass Werfel spontan etwas vom Frame zurückwich.
    Ein undefinierbarer Laut kam von ihren Lippen. Auf der Erde hätte ihn Werfel als eine zögerliche Einleitung für eine Entschuldigung gedeutet. Zu seinem Erstaunen schien er hier auf Bartholomäus dieselbe Bedeutung zu haben, denn die Fremde begann zur Überraschung aller in verständlichen und wohlformulierten Worten zu sprechen.
    »Zutiefst bedauerlich. Es geht ihnen jedoch gut. In ein paar Stunden haben sie den Zwischenfall überwunden. Ein Zusammentreffen ist erwünscht. Wenn möglich jedoch ohne Waffen, um keine neuen Missverständnisse zu produzieren. Das zwingt uns stillzustehen. Keine Eile, ich warte hier an dieser Stelle.«
    Es war unglaublich. Sie sprach ein beinahe lupenreines Universal-Englisch, wie es seit einem guten Jahrhundert fast überall auf der Erde gesprochen wurde. Er konnte sich den Vorgang nur so erklären, dass die Bewohner dieses Mondes keineswegs nur die Intelligenz einfacher Bauern besaßen, sondern ganz im Gegenteil über eine außerordentliche Technik verfügten. Anscheinend waren sie in der Lage, die Gespräche in der Timeless abzuhören, sie zu übersetzen und das Englisch zu interpretieren.
    »Bauern!« Werfel sprach das Wort bewusst laut und verächtlich aus. Sternberg, der die Aktion von einer der hinteren Konsolen aus verfolgt hatte, sollte seine Meinung ruhig hören. Und ebenfalls Charlotte Sternberg, die irgendwo im Schiff residierte. Ein Volk, das in der Lage war, sein Planetensystem aus der Milchstraße herauszukatapultieren, konnte nicht zu Bauern degenerieren, auch nicht nach Tausenden von Jahren. Wahrscheinlich konnten sie von Glück sagen, dass sie nicht schon längst zu Staub pulverisiert waren, dachte er.
    Elisabeth Regina drehte sich um. »Soll ich antworten?«, fragte sie.
    Schweigen. Alle warteten auf eine Entscheidung von Sternberg.
    Stattdessen antwortete jemand anderes.
    »Antworten Sie, dass drei Leute kommen werden!«, hörte Werfel die Stimme von Charlotte Sternberg. »Werfel, Verotroicx und Lacey gehen runter. Ohne Waffen.«
    Nach einigen Sekunden sagte die Stimme noch: »Nehmen Sie Roberta Galore mit. Sie ist Ärztin.«
      
    Das Cargo war vor mehreren Minuten gelandet und stand nun unweit dem anderen am Rande des Hügels. Die Kabinentür war offen.