Drake (German Edition)
dachte sie, viel schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Als sie auf den Tank zuging, sah sie sich im Vorbeigehen auf dem Med-Frame Taminis Daten an. Soweit sie die Informationen deuten konnte, war an ihnen nichts Ungewöhnliches festzustellen.
Caitlyn spürte, dass er sie mit seinen Augen verfolgte, und ging nun direkt auf ihn zu. Sie hoffte, damit ihrer Nervosität endlich ein Ende zu setzen.
»Hallo, Sergio!«, sagte sie freundlich, vermied es aber, ihn dabei anzusehen. »Wie geht es dir?«
Seine Zunge fuhr kurz über seine trockenen Lippen, bevor er antwortete. »Gut so weit. Ich weiß nur nicht, was mit mir los ist. Der Doktor und die Meds verhalten sich mir gegenüber merkwürdig. Ich meine, sie sind freundlich und zuvorkommend, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mir irgendetwas verschweigen.«
»Das bildest du dir nur ein«, meinte sie und bemühte sich, möglichst unbefangen zu wirken.
Konnte es sein, dass er nichts von seinem Zustand wusste?
»Ich weiß nur noch, dass ich im Camp von Sternbergs Mädchen war und dass es mir nicht besonders gut ging, aber ich habe keine Ahnung, warum ich dort gewesen bin oder was ich dort gemacht habe«, sagte er und blickte hilflos auf den Med-Frame.
Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen, konnte aber nichts Falsches darin entdecken. Es war der Tamini, wie sie ihn kannte. Ein wenig verwirrt zwar, sogar ängstlich, aber das war natürlich.
Kein Wunder bei all dem, was er durchgemacht hatte.
Mit Wehmut kamen ihr in diesem Augenblick die schönen Erinnerungen in den Sinn, die sie an den Saturnmond Titan im Gedächtnis hatte. Sergio Tamini hatte sie dort für zwei Wochen auf seine Werft eingeladen. Die zwei Wochen erwiesen sich als eine fantastische Besichtigungstour des außergewöhnlichen Mondes. Die Werft war unwichtig geworden. Tamini hatte mit Caitlyn ausgiebige Touren in seiner Luxus-Arack unternommen, wobei sie einmal sogar drei Tage am Ontario Lacus unterwegs waren. Es war ein Ausflug in die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems geworden, mit dem seltenen Erlebnis eines gut sichtbaren Saturnunterganges am abendlichen Horizont; normalerweise behinderte die dichte Atmosphäre aus Stickstoff eine ungehinderte Aussicht auf den gewaltigen Planeten. An diesem Abend jedoch verzogen sich wie auf Wunsch die gelblichen Wolken und ließen einen Blick auf dieses ungewöhnliche Naturschauspiel zu.
Ein unbeschreibliches Erlebnis, verbunden mit einem festlichen Abendessen unter der gläsernen Kuppel der Arack, die Tamini an einem Abriss über dem Ethansee geparkt hatte.
Ein unvergesslicher und perfekter Abend, der nur durch einen halbherzigen Heiratsantrag Taminis getrübt wurde. Er hatte es tatsächlich fertiggebracht, in diesem Moment von einer dauerhaften Verbindung zu sprechen, die sie eingehen sollten. Es hatte wie ein Kaufvertrag auf Zeit geklungen. Wobei Caitlyn auch dagegen nichts einzuwenden gehabt hätte, dennoch musste man eine Liaison ja nicht von Anfang an beim Namen nennen.
Nachdenklich sah sie den Mann an, der vor ihr in dem Med-Tank lag.
»Was ist mit dir?«, fragte er. »Warum sagst du nichts? Verschweigst du mir etwas?«
Sie zögerte mit der Antwort. »Nein. Ich war nur etwas in meinen Erinnerungen gefangen gewesen«, gab sie schließlich zu.
Der Tank klappte auf und Tamini versuchte, sich etwas aufzurichten. Es klappte nicht ganz, denn die automatischen Vorrichtungen hinderten ihn daran.
»Ahhh …«, stöhnte er und versuchte ein Lächeln. »Jetzt bin ich sogar zu schwach, um mich gegen diese kleinen medizinischen Larrys zu behaupten.« Er stützte sich auf seine Ellenbogen und wurde wieder ernst. »Titan, nicht wahr?« Er nickte. »Richtig, das war ganz große Klasse! Damals war ich zu stark, heute bin ich zu schwach. Und jetzt sitzen wir in dieser verdammten riesigen Kiste und wissen beide nicht weiter. Wer weiß, wo wir jetzt wären, wenn ich damals nicht so ein Feigling gewesen wäre.«
»Das kann ich dir genau sagen: Du würdest hier in der verdammten riesigen Kiste sitzen und ich würde mit einem dicken Bauch irgendwo in einer feudalen Villa im heimischen Sonnensystem sitzen und vor Langeweile vergehen!« Es klang verbitterter, als sie es gemeint hatte. Oder vielleicht doch nicht?
Er lachte verhalten. »Wahrscheinlich hast du recht. Immerhin würde es dir aber dann besser gehen als jetzt.«
»Das sind verschwendete Gedanken. Wie fühlst du dich? Hast du irgendwelche Beschwerden?«, versuchte sie, vom Thema abzulenken. »Warum hast
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