Drake (German Edition)
sie stehen und blickte Carruther an, der dicht hinter ihr ebenfalls stehen geblieben war.
Er hatte es auch bemerkt, quittierte den Zustand aber lediglich mit dem Heben einer Augenbraue.
»Ich habe keine Erklärung dafür«, meinte er trocken. »Ich sehe es einfach einmal als gegeben an. Vielleicht erzählt uns Groc später, wie so etwas funktioniert.«
Sie winkte ab und schlenderte weiter über den Strand. Ein herrliches Gefühl, sanft in den Sand einzusinken und die frische Brise zu spüren. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie keine Schuhe anhatte und zudem beinahe splitternackt war. Unwillkürlich fuhren ihre Hände zu ihren Brüsten.
Lächerlich. Ken Carruther hatte sie die ganze Zeit über so gesehen, warum nicht jetzt auch?
Vielleicht, weil sie sich jetzt anders fühlte. Zuvor war sie in einer Notlage gewesen, jetzt kam ihr die Situation märchenhaft vor.
Wie eine Auszeit. Ein Loslassen. Eine Pause.
Die Sonne stand schon tief. Es musste später Nachmittag sein. Für einen frühen Morgen fehlten die feuchte Trübung in der Luft und die vergehende Frische einer Nacht.
Übermütig rannte sie den Wellen entgegen und hüpfte ausgelassen im flachen Wasser herum.
Tatsächlich.
Wasser. Richtiges, salziges Wasser.
Wasser im Überfluss. Wasser, das sich wie Wasser anfühlte.
Sandiges Wasser. Frisches Wasser.
Sie lief einige Schritte zurück und setzte sich in den trockenen Sand. Hoffentlich war es auf dieser Welt nicht bei Strafe verboten, sich in den Sand zu setzen.
Es war unbeschreiblich schön.
Das konnte keine Projektion sein.
»Ist das nicht herrlich?«, sagte sie zu Ken Carruther, der soeben barfuß mit hochgezogenen Hosen an ihr vorbeistapfte und im seichten Wasser stehen blieb. Seine Schuhe trug er in der Hand.
»Ja«, sagte er einfach. Und dann nach einer Weile: »Wir befinden uns eindeutig auf Mescalero. Die untergehende Sonne ist Drake. Am Horizont ist sogar die Energiewolke zu erkennen.«
Er ging in die Hocke und fuhr mit der flachen Hand über die Wasseroberfläche. Ab und zu klaubte er etwas aus dem Sand.
»Ein sehr alter Planet«, meinte er schließlich. »Ein Planet mit einer schrecklichen Vergangenheit, mit einer ereignisreichen Geschichte.«
Caitlyn hörte ihm nur mit halbem Ohr zu und grub ihre Zehen in den Sand. Die Geschichte des Planeten war für sie im Augenblick uninteressant. Viel interessanter fand sie eine Schar von Vögeln, die in einiger Entfernung vorbeizogen. Einzelheiten konnte sie nicht erkennen, aber an dem langsamen Flügelschlag gemessen, mussten es sehr große Exemplare sein.
»Winzige abgeschliffene Kügelchen aus Eisenphosphat oder Vivianit, aus Glas oder geschmolzenem Gestein«, dozierte Carruther unbeeindruckt weiter. »Unzählige abgerundete Steinchen, die eindeutig nicht natürlichen Ursprungs sind. Manche Stücke können noch nicht sehr alt sein. Wahrscheinlich gehärteter Beton oder eine ähnliche Substanz. Hier im Wasser liegt ein Mikrokosmos von Ruinen. Entweder Überbleibsel von Naturkatastrophen oder weltumspannenden Kriegen. Meiner Meinung nach ist die Schönheit des Planeten mit viel Feuer und Leid erkauft worden.«
»Carruther, Sie nerven«, dachte Caitlyn mehr, als dass sie es sagte, und schloss die Augen. Ob sie hier trotz der ›Bekleidungsschicht‹ nahtlos braun werden würde? Mit einem bitteren Lächeln schämte sie sich sofort dieses Gedanken wegen. In der Unit Eleven kämpften oder sorgten sich die Menschen um ihr Leben, und sie dachte an ihre Körperbräune.
Und wenn schon. Spätestens, wenn sie durch das geheimnisvolle Portal wieder in die Plattform zurückkehrten, war der Traum vorbei.
Sie drehte sich um, konnte aber hinter sich lediglich ein großes dunkles Rechteck ausmachen, das von Sträuchern mit dunkelroten Blüten umgeben war. Erst jetzt fiel ihr auf, dass zum Land hin überall Blumen zu sehen waren. In allen Formen und Farben. Die Landschaft wirkte dadurch etwas überladen.
Carruther war inzwischen weitergegangen. »Dort hinten steht ein Haus«, meinte er wie beiläufig. »Frauen und Kinder.«
Caitlyn stand umständlich auf und blickte in die Richtung.
Etwas zurückgesetzt hinter einem kleinen Wäldchen war ein flach gebauter Bunker zu sehen. Davor standen einige Frauen, die von zahlreichen Kindern umgeben waren, alle in luftiger Cobo-Ya-Ya-Bekleidung. Was sie dort taten, war nicht zu erkennen. Es sah aus wie eine Unterweisung oder ein Unterricht. Zu hören war aus dieser Entfernung nichts. Auf jeden Fall aber schien es
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