Drake (German Edition)
Fetzen vor ihr lagen, hatte ihr Groc etwas Kaltes in den Nacken gedrückt. Nach wenigen Sekunden breitete sich eine wohlige Wärme in ihrem Körper aus.
Sie dachte zuerst an irgendeine stabilisierende Droge, doch dann bemerkte sie, wie sich von den Armen her eine schützende Schicht über ihren ganzen Körper verteilte.
Sie wurde nach Art und Weise der Cobo Ya Ya »eingekleidet«. Erstaunt betrachtete sie den blickdichten und bräunlich gefärbten Abschnitt von der Hüfte bis kurz über ihren Knien, der sich selbstständig gebildet hatte. Selbst die langen Handschuhe mit den fremdartigen Zeichen waren vorhanden. Alles in allem bildete sie nun eine perfekte Kopie von Charp, die direkt vor ihr stand und ihr den Helm mit dem feinen Netz reichte. Dabei lächelte sie wie eine Verbündete.
Vielleicht waren sie das auch, dachte Caitlyn verwundert, ohne unterscheiden zu können, ob es ihre eigenen Gedanken waren oder diese von dem Scrag-Spion beeinflusst waren.
Bisher kannte sie die Geschichte der Cobo Ya Ya nur aus Leilas Darlegungen und Erzählungen. Wer garantierte dafür, dass sie der Wahrheit entsprachen? Was wäre, wenn die Cobo Ya Ya ein unterdrücktes Volk der Pearl People wären und sie seit Jahrtausenden versuchten, sich von dem Joch zu befreien? Immerhin waren sie es, die in einer zeitlichen Verbannung lebten, die ihnen von den Pearl People aufgezwungen war.
Sie schüttelte benommen den Kopf.
Und was war mit den Scrags? Den Angriffen auf die Unit Eleven und die Timeless? Die sinnlosen Morde, deren Zeugin sie vor wenigen Minuten gewesen war?
Sie spürte ihre gespaltene Persönlichkeit und versuchte, gegen den Scrag in ihr anzukämpfen. Was ihr nicht immer gelang. Als sie den Helm von Charp entgegennahm, konnte sie eine gewisse Bewunderung über den duplizierten Körper nicht unterdrücken. Wenn das ein Abbild von Caitlyn Mulholland war, konnte sie damit durchaus zufrieden sein.
Jedenfalls kam in ihr noch nicht einmal der Anflug eines Schamgefühls auf, als sie anschließend mit Groc und Ken Carruther durch die Gänge der Unit Eleven schritt, auch wenn Irene Koss SERVICE mit ihren Scans den Betrachtern irrtümlich eine weibliche Cobo Ya Ya vorführte, die das Schiff verließ.
Ganz im Gegenteil. Caitlyn kam sich vor wie eine Königin, die an der Seite des Herrschers das Schiff verließ.
Sie genoss dabei jeden einzelnen Schritt. Ganz besonders jenen Moment, als sie die Schleuse passierten und über eine mittlerweile installierte Brücke wenig später eine riesige Halle im Depot betraten. Die anwesenden Cobo Ya Ya wichen respektvoll zurück und bildeten ein Spalier, das kurz vor einem merkwürdig aussehenden Transportsystem endete.
Silbern glänzende Kugeln von etwa drei Metern Durchmesser standen aneinandergereiht auf dem Boden. Als sich Caitlyn, Carruther und Groc einer der Kugeln näherten, glitt ein Segment lautlos nach oben.
Im Innenraum war lediglich ein schmaler Pfosten zu erkennen, der in der Bodenmitte nach oben ragte. Keine Sitze, keinerlei Vorrichtungen.
Dafür konnte man problemlos nach draußen sehen.
Ein nicht unbedingt schöner Ausblick, denn die Seitenwände der Halle waren durchzogen von dicken grauen Rohren, Stabilisationsgerüsten und Kabelträgern. Dazwischen ragte eine weiße, undefinierbare Masse hervor, die in ihrer Substanz an Watte erinnerte.
Groc betrat eine der Kugeln und signalisierte Caitlyn und Carruther mit einer harschen Handbewegung, ihm zu folgen.
Kaum standen sie neben ihm, beschleunigte die Kugel mit ungeheuren Werten. Caitlyn spürte aber weder irgendwelche Beschleunigungskräfte noch die automatisch ablaufenden Steuerbewegungen.
»Unsere Forschungsplattform ist in den letzten Jahren immer größer geworden«, sagte Groc in einem bedauernden Ton. »Deswegen mussten wir uns ein System einrichten, das uns schnell von einem Ort zum anderen bringt. Es ist nicht sehr elegant, aber wirkungsvoll.«
Caitlyn antwortete nicht. Ihr Magen reagierte auf die optisch abrupten Richtungsänderungen und die hohe Geschwindigkeit, mit der die Kugel durch hohe Gänge schoss. Manchmal zuckte ihre Hand erschreckt nach oben, wenn plötzlich ein Hindernis auftauchte, dem das ungewöhnliche Gefährt im letzten Moment auswich.
Ihr Hochgefühl von vorhin war mit einem Male verschwunden. Jetzt war sie wieder der Mensch von der Erde, voller Hass und Abscheu vor dieser Rasse. Die fremde Umgebung und die überlegene Technik jagten ihr Furcht ein und offenbarten gleichzeitig ihre Hilflosigkeit.
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