Drake (German Edition)
prachtvolle optische Ereignis, das ihnen der Panorama-Frame bot. Für sie war einzig und alleine die grafische Darstellung von George ausschlaggebend, die ihnen in einer groben Hochrechnung anzeigte, welche Bereiche die Zeitverdichter in den nächsten Sekunden abdecken würden.
»In zehn Sekunden täuschen wir eine Fehlfunktion vor und tauchen kurz aus dem Zeitzwischenraum auf«, verkündete Khartum. »Die Cobo Ya Ya werden das natürlich für eine Finte halten, aber wir werden ihnen damit zu verstehen geben, dass wir noch im Spiel sind. Hoffentlich können wir sie damit etwas von der Unit Eleven ablenken.«
»Flackerfeld. Und jetzt!«, rief Leila kurz darauf. Werfel hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, aber er nahm an, dass dies ein Ausdruck für eine Störung war.
Sekunden später vernahm er ein ansteigendes Singen.
»Um Gottes willen! Abbrechen! Sofort wieder zurück!«, warnte Edda.
»Flackerfeld ist aus!«
Das Bild auf dem Panorama-Frame kippte nach links weg, als Khartum die Timeless in eine Drehung versetzte, um den Antrieb in eine andere Richtung zu verlegen. Kurz danach fing der Schiffskörper an, heftig zu vibrieren. Ein harter Stoß erfolgte und Werfel spürte, wie ihm eine unsichtbare Hand seine Beine unter dem Tisch wegzog. Der Vorgang lief relativ harmlos ab. Er rutschte sanft auf die Wand zu und musste sich lediglich mit einem Fußtritt vor dem Tisch schützen, der ihm holpernd gefolgt war. Mit einem hässlichen Klappern fiel zusätzlich der Tripod von Jaseeka vor seine Füße. Er stand auf und kickte ihn zu der Asiatin hin, die verdattert vor ihm auf dem Bauch lag.
»Hier haben Sie ihre Lebensversicherung wieder«, meinte er abfällig.
Dann wandte er sich an Leila: »Was war das? Wir waren doch bestimmt noch nicht einmal für zwei Sekunden sichtbar. Reagieren die Cobo Ya Ya so schnell?«
Sie wedelte schwach mit der Hand. »Ahm, ja. Ein Fehler von uns. Ich nehme an, es war eine automatische Ortung von der Plattform aus, gekoppelt mit einem sofortigen Abschuss. Wir haben das Manöver zu nahe am Depot durchgeführt. War knapp. Eine halbe Sekunde später und wir wären Geschichte gewesen. Geronnen fast zur Gallert durch die Furcht.« Sie deutete ein Lachen an. In ihren großen Augen hatten sich hässliche Blutadern gebildet.
Werfel sah verlegen in eine andere Richtung. Die Fehler von Leila mehrten sich zusehends.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er dann doch und zwang sich, ihr ins Gesicht zu sehen.
Sie breitete ihre langen Arme aus und rollte mit ihren blutunterlaufenen Augen. »Mitgefühl oder Sorge, Herr Werfel?«, fragte sie zurück.
»Beides«, log er und sah wieder verlegen zur Seite. Trotz all seiner Hochachtung vor Leila und den Leistungen ihres Volkes, brachte er es nicht fertig, ein Gefühl für dieses Wesen zu empfinden.
»Schön, dass Sie ehrlich mir gegenüber sind. Ein Cobo Ya Ya hätte an Ihrer Stelle Mitgefühl geheuchelt, um sich voll und ganz meiner Mitarbeit zu versichern. Die Leiche ist beim König, aber der König ist nicht bei der Leiche.« Sie kniff ein Auge zu und stupste ihn mit einem langen Finger auf die Nase. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich halte durch.« Dabei zog sie das Wort ›Sorgen‹ unnatürlich in die Länge.
Er stutzte für einen Moment.
»Jetzt weiß ich es«, sagte er. »Ihre Stimme. Sie sprechen mit der Stimme von Maria Cortez, der Verfasserin der ›Göttlichen Schriften‹.«
»Ja, richtig. Maria Cortez. Ich habe mir ihre Reden im Archiv der Timeless angehört. Sie waren sehr überzeugend und haben mir sehr gefallen. All diese schönen religiösen Geschichten aus der Vergangenheit. All diese Schicksale dieser alten Völker. Diese Ergebenheit Gott gegenüber. Sehr beeindruckend. Das hat mir sehr gefallen.«
»Gibt es auf Pearl keinen Gott?«
»Gott?« Sie lachte unter Schmerzen. »Nein, auf Pearl gibt es keinen Gott. Jedenfalls ist mir kein Gott begegnet, der mir bewiesen hätte, dass er ein Gott ist.«
»Vielleicht braucht Gott keine Beweise für seine Existenz.«
Sie deutete eifrig mit dem Finger auf ihn hin. »Sehen Sie, das ist es, was mich an den Geschichten so fasziniert. Es gibt keine Beweise. Nur die Überlieferungen aus der Geschichte. Und ihr Menschen glaubt trotzdem daran.«
»Vielleicht braucht auch der Glaube keine Beweise.«
»Vielleicht. Auf Pearl gibt es das Wort ›Glaube‹ nicht. Dort gibt es nicht einmal Leute, die an etwas glauben. Jedenfalls keine, die ich kenne.«
»Sie hatten keinen Kontakt zu anderen Leuten
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