Drake (German Edition)
auf Pearl?«, fragte er überrascht. »Was ist mit denen, die hier auf der Timeless die Sachen installiert haben?«
»Die kannte ich auch nicht. Die Altvordera haben sie geschickt.«
Es verschlug im die Sprache. Gleichzeitig erkannte er, wie egoistisch er und die anderen mit Leila umgegangen waren. Alle hatten ihn ihr nur ein Mittel gesehen, um aus der misslichen Lage herauszukommen. Um Leilas Bedürfnisse oder ihre Geschichte hatte sich niemand gekümmert.
»Hatten Sie nicht das Verlangen, Ihre Landsleute näher kennenzulernen? Mit ihnen zu sprechen? Oder, ähm, vielleicht Gefühle mit ihnen auszutauschen?«
»Gefühle auszutauschen? Nein, ich habe keine Gefühle, die ich mit jemandem tauschen könnte, außer vielleicht … nun ja, es ist schwer zu beschreiben. Es liegt nicht in den Speicherblocks, es liegt tief in mir drinnen. Woanders. Ein Gefühl oder eine Erinnerung. Schwermut und Trauer, Leid, die Hölle selbst, macht sie zur Anmut und zur Artigkeit. So ähnlich wie Sehnsucht, wenn ich es mit dem Wort richtig beschreibe. Eine Illusion. Ich weiß aber nicht, ob sie aus der Vergangenheit stammt oder ob sie in die Zukunft gerichtet ist.«
Er schwieg betroffen und grübelte darüber, warum er nach wie vor keine Beziehung zu dem Wesen finden konnte. An dem Äußeren konnte es nicht liegen, denn inzwischen hatte er sich an diese übergroße Augenpartie gewöhnt. Auch diese völlig überzogene Hippie-Kleidung mit dem schwarzen Jäckchen und dem überlappenden engen und geschlitzten Rock störte ihn nicht mehr, von dem weißen Hut mit dem ständig hin und her schwingenden Glockenspiel gar nicht zu reden.
Vielleicht lag es daran, dass er in Leila nichts sah als ein durch Speicherblocks aufgepepptes Individuum, das im normalen Leben nichts darstellte als eine hochgezüchtete Eingeborene.
Wahrscheinlich urteilte er jetzt ungerecht, deswegen verwarf er den Gedanken auch gleich wieder.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte er ungeschickt. »Ich meine wegen der Sache mit dem Scrag-Spion …«
Sie lachte wieder verhalten. »Herr Werfel, Sie sind wirklich sehr reizend zu mir, aber nein danke, es geht schon. Jetzt lösen wir zunächst einmal dieses Problem und danach sehen wir weiter.«
Das war eine unmissverständliche Abfuhr, zumal sie sich von ihm abwandte und Khartum ein Zeichen gab.
Verwundert registrierte er erst jetzt, dass die Timeless in der Zwischenzeit einen kurzen Durchgang vollzogen hatte. Nach einem kurzen Blick auf einen Frame stellte er fest, dass sie kurz vor LaGrange herausgekommen waren.
»Das genügt«, hörte er Leila sagen. »Ab hier tauchen wir ein.«
Er blickte fragend zu Khartum.
»Wir tauchen ein? In was tauchen wir ein?«
»In den Strahl, der den Regler auf LaGrange lahmlegt. Wir fliegen ihn hoch, entlang bis zum Wandler.«
»Was? Das ist hochfrequente Mikrogravitationsstrahlung! Von uns bleibt schon nach wenigen Kilometern nichts übrig als ein Häufchen Asche!«
»Nicht, wenn wir unseren Dyson-Wandler als Antrieb benutzen. Wir erzeugen dadurch so etwas wie ein Pufferkissen vor der Timeless. Gleichzeitig vermindern wir die Wirkung des Depot-Wandlers. So gesehen treiben wir also den Teufel mit dem Beelzebub aus.«
Sie lächelte über ihr Wortspiel.
Werfel dagegen verschlug es die Sprache.
Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er war kein Experte für Triebwerkskonstruktionen, aber das Vorhaben erschien ihm sehr riskant zu sein. »Das wäre ungefähr so, wie wenn zwei kritische Massen von spaltbaren Nukliden aufeinandertreffen«, brachte er hervor.
»Das könnte man so sehen, nur mit dem Unterschied, dass die Masse der Timeless im Vergleich zur Gesamtmasse des Mikrogravitationsstrahls sehr gering ist. Ganz abgesehen davon, erzeugen wir an der Berührungsfläche die Pufferzone, die uns schützt.«
»Das erscheint mir unbewiesen und damit sehr riskant zu sein«, sprach er seine Befürchtungen aus.
»Das Manhattan-Projekt im 20. Jahrhundert war ebenfalls unbewiesen und sehr riskant. Einige der Wissenschaftler befürchteten sogar, dass die Erde mit der Zündung der Plutoniumbombe in einem Schwarzen Loch verschwinden könnte«, griff sie seine Bedenken auf. »Sehen Sie es doch einmal so: Entweder wir wagen das Experiment oder wir sind in unserer Zukunft der Willkür der Cobo Ya Ya ausgesetzt.«
»Vielleicht existiert ja ein Mittelweg«, wagte er zu widersprechen.
»Ich bin durchaus für Vorschläge offen, es wäre nur zu empfehlen, sie in den nächsten Minuten
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