Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
festen Wohnsitz ausgesucht und sich dort
niedergelassen. Was hatte das zu bedeuten? Sarah glaubte nicht an merkwürdige
Zufälle.
Ihr blieb keine Zeit, das Haus zu umrunden oder
sich auf der Küstenstraße umzusehen. Als sie sich dem Haus von der Seite aus
näherte, die dem Haus ihrer Familie zugewandt war, hörte sie einen gedämpften
Fluch. Sarah schlich dem Geräusch entgegen, ließ sich auf den Bauch sinken und
blieb in den tieferen Schatten der Bäume flach auf dem Boden liegen. Sie hob
behutsam den Kopf. Nur ihre Augen bewegten sich, rastlos und unablässig,
während sie die Gegend absuchte. Es dauerte ein Weilchen, bis sie ihre Gegner
ausfindig gemacht hatte. Auf dem Hang, der von der Straße hinabführte, konnte
sie, nicht mehr als zwölf Meter entfernt, mitten im dichtesten Gestrüpp zwei
Männer erkennen. Sarah verspürte den Drang zu lächeln. Sie hoffte um der Männer
willen, dass sie die Zeckenhalsbänder ihrer Hunde trugen.
Sie blieb im Gebüsch liegen und begann mit ihren
Händen ganz langsam ein kompliziertes Muster zu beschreiben. Der geschickte
Tanz ihrer Finger ließ das Laub rascheln und brachte kleine Zweige in Bewegung,
als seien sie lebendig geworden. Winzige stumme Kreaturen ließen sich von hohen
Ästen fallen, sanken von Blättern herab, stießen sich vom Boden ab und
wanderten in Strömen den Hang hinunter und auf das dichteste Gestrüpp zu.
Sarah wusste, dass es sich bei dem einzigen
erleuchteten Fenster in Damons Haus um ein Schlafzimmerfenster handelte. Wenn
das Fernrohr auf der Brüstung der Aussichtsplattform ihres Hauses zufällig in
diese Richtung wies, dann lag das nur daran, dass sie dieses Zimmer als Letztes
überprüft hatte. Es war reiner Zufall, dass es ausgerechnet Damons Schlafzimmer
war. Sarah warf einen Blick zurück auf das Haus ihrer Familie, das über den
tosenden Wellen aufragte, denn plötzlich hatte sie den Verdacht, Hannah könnte
wie angewurzelt am Fernrohr stehen und alles gebannt beobachten.
Sie zischte leise und melodisch einen nahezu
stummen Ton, der einen Befehl übermittelte. Der Wind fing ihn auf und trug ihn
über das Meer hinaus und zu dem Haus auf der Klippe. Das Geräusch, mit dem
Stoff Holz und Laub streifte, zog sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie
beobachtete, wie einer der Männer rasch den Hang hinunterkrabbelte, an dessen
unterem Ende Damons Haus stand. Er kauerte sich direkt unter das erleuchtete
Fenster und hob dann vorsichtig den Kopf, um hineinzuschauen.
Das Schiebefenster war nicht ganz geschlossen,
damit die Meeresluft durch einen Spalt ins Haus gelangen konnte. Die Brise ließ
die Kettenstichgardinen nach innen flattern und einen gespenstischen Tanz
vollführen. Die wehenden Gardinen machten es so gut wie unmöglich, einen Blick
in das Zimmer zu werfen und sich ein klares Bild davon zu machen, was sich dort
tat. Der Mann richtete sich noch etwas weiter auf, presste seinen Körper flach
an die Hausmauer und bog den Kopf zurück, um hineinzulugen.
Sarah konnte erkennen, dass der zweite Mann auf dem
Hauch lag, sich auf die Ellbogen gestützt hatte und ein Gewehr auf das Fenster
gerichtet hielt. Sie bahnte sich behutsam einen Weg durch die niedrigen Gräser
und bewegte sich im Einklang mit dem Wind, der über das Land strich. Der Mann,
der sein Gewehr auf das Fenster gerichtet hielt, ließ sein Ziel keinen Moment
lang aus den Augen. Nicht die kleinste Zuckung und der Lauf des Gewehrs hielt
vollkommen still. Demnach war er ein Profi. Das hatte sie erwartet, und doch
hatte sie gehofft, dass sie sich irrte. Sie konnte sehen, wie die winzigen
Insekten in seine Kleidungsstücke krochen.
Über ihrem Kopf brach der Mond durch die Wolken und
drohte sie zu entlarven. Sie schlängelte sich durch das Gras und die
Brombeersträucher noch etwas näher an den Mann heran und zog erst dann ihre
Pistole aus dem Schulterhalfter.
Als er ein leises Geräusch hörte, das aus dem
Zimmer drang, hob der Angreifer am Fenster eine Hand, um seinen Partner zu
warnen. Er lugte durch die Scheibe, weil er versuchen wollte, Damons genauen
Standort auszukundschaften. Hin lautes Knacken war zu vernehmen, als Damons
Gehstock fest auf seinem Kiefer landete. Der Mann schrie augenblicklich auf und
sein schriller Schrei hallte durch die Nacht. Er fiel rücklings auf den Boden
und hielt sich das Gesicht, wälzte sich herum und krümmte sich vor Schmerzen.
Sarah ließ seinen Partner mit dem Gewehr nicht aus
den Augen. Er wartete darauf, dass Damon ans Fenster treten und
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