Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
Schriftzeichen. »Eine der
Schwestern, die dabei geholfen haben, den Geist unter dem Siegel einzusperren,
muss in der Lage gewesen sein, in die Zukunft zu blicken, wie Mom. Wenn das der
Fall ist, bedeutet es, dass wir es schaffen sollten, ihn zur Ruhe kommen zu
lassen.«
»Es sei denn, das Erdbeben hat ihm durch den Riss
im Boden dazu verholfen, vor seiner Zeit zu entkommen«, sagte Matt.
»Das bezweifle ich«, sagte Sarah ernsthaft. »Im
Allgemeinen kommen die Dinge so, wie sie kommen sollen, Matthew. Offenbar hat
in unserer Zeit etwas zu geschehen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig als
eine Lösung zu finden. Das ist unsere Bestimmung.«
Matt rieb sich mit einer Hand das Gesicht. Er war
nicht sicher, ob er an Vorbestimmung glaubte. Er spürte Kates Hand in seinem
Haar und änderte seine Meinung. »Hannah, geht es dir wieder etwas besser?« Sie
sah keine Spur besser aus. Er war vollkommen sicher, dass sie es ohne sie
niemals geschafft hätten, Elle mitten in dem dichten Nebel von dem Vorsprung zu
holen und sie auf die Spitze der Klippe zu bringen. Und sie hätten die
Wesenheit auch nicht mehrfach aufs Meer hinaustreiben können, um die Einwohner
des Städtchens zu beschützen.
»Ich habe mich ausgeruht. Libby hat mir geholfen.«
Libby Drake. Matt sah sie an. Sie hatte in der
Kleinstadt einen legendären Ruf. Sie war die einzige Drake mit
mitternachtsschwarzem Haar und blasser, nahezu durchscheinender Haut. Sie war
von Natur aus zur Heilerin geboren, nicht jemand, der sich krampfhaft daran
versuchte, diese Kunst zu erlernen, ohne die Gabe zu besitzen. Er lächelte sie
an. »Schön, dich mal wieder zu sehen, Libby. Vielleicht solltest du dich besser
verstecken, solange du zu Hause bist. Wenn sich herumspricht, dass du da bist,
wird die ganze Stadt Schlange stehen, um sich von dir heilen zu lassen.«
»Ich möchte unbedingt Irenes Sohn besuchen. Meine
Schwestern haben ihn mehrfach besucht und für ihn getan, was sie konnten, um
ihm Erleichterung zu verschaffen, aber ich habe versprochen, ihn selbst
aufzusuchen.«
»Libby!« Matt schüttelte ungläubig den Kopf. »Du
weißt doch, dass er unheilbar krank ist. Sein Krebs ist im Endstadium. Dagegen
kannst selbst du nichts tun.« Er wartete. Als niemand etwas sagte, sah er sie
an. »Oder doch?« Die Vorstellung war hochgradig beunruhigend.
»Das weiß ich erst, wenn ich ihn gesehen habe«, gab
Libby zu.
»Was würde dich das kosten?« Matt konnte sich nicht
vorstellen, welchen Preis Libby dafür bezahlen würde, wenn sie tatsächlich
jemanden heilte, der zum Sterben nach Hause geschickt worden war.
Libby lächelte ihn an. »Ich kann verstehen, warum
Kate dich so sehr liebt, Matt. Dein Wahrnehmungsvermögen ist enorm ausgeprägt.
Es ist eine ganz simple Rechnung. Ich könnte eventuell einen Einzelnen retten,
aber während ich mich davon erhole, könnten mir hundert andere wegsterben.«
»So schlimm ist es?« Er nahm Kates Hand. Die
Vorstellung, was diese Frauen in ihrem Alltag durchmachen mussten, ging ihm
nahe. Auf ihre Weise waren sie Kriegerinnen, und er brachte ihnen tiefen
Respekt entgegen.
»Möchte noch jemand Tee? Ich hole mir noch eine
Tasse«, sagte Hannah.
»Ich kann ihn gern holen«, erbot sich Matt. Er kam
sich im Moment etwas unnütz vor.
Hannah blieb kurz vor dem Durchgang zur Küche
stehen. »Ich bin schon auf dem Weg, aber ich danke dir trotzdem«, sagte sie und
ging weiter. Nach zwei Schritten blieb sie abrupt stehen und starrte die
flackernde Kerze im Erkerfenster mit Blick aufs Meer an. »Sarah, komm her, das
musst du dir ansehen.«
Matt stand ebenfalls auf und zog Kate mit sich auf
die Füße. Besorgt warf er einen Blick durch das große Fenster. Jedes Mal, wenn
etwas Seltsames passierte, kehrte der Nebel zurück und lauerte über der Stadt
wie ein dunstiges rauchgraues Ungeheuer, das eine kauernde Wartehaltung
einnahm, ehe es zum Sprung ansetzte.
»Was ist los, Sarah?«, fragte Elle, die zwischen
Bergen von Kissen unter einer Steppdecke auf das Sofa gebettet war und die
strikte Anweisung erhalten hatte, sich nicht von der Stelle zu rühren.
»Das Wachs bildet eine Form, während es an der
Kerze herunterrinnt«, erklärte Sarah. »Es kommt mir vor wie ein Haken.«
»Oder eine dieser gebogenen Zuckerstangen.« Matts
Deutung war pragmatischer.
»Es ist ein Stab«, korrigierte Hannah die beiden.
»Ein langer Stab oder vielleicht auch ein Spazierstock. Etwas, das man zum
Gehen verwendet.«
»Es wird immer verrückter«, sagte Abbey und
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