Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
hier gesessen und mir Joleys Weihnachtslieder angehört, du
weißt ja, wie sehr ich Weihnachten liebe, und dann habe ich das Beben gespürt.
Gleich darauf hat etwas anderes die Erde erschüttert. Ich habe es als eine
Dunkelheit wahrgenommen, die nach oben steigt. Ich wusste, dass du ausgeritten
warst, und daher bin ich auf die Plattform gestiegen, um mich zu vergewissern,
dass du nicht in Schwierigkeiten steckst.«
»Und du hast den Wind gespürt, der vom Meer kam«,
sagte Kate. Sie lehnte ihre Hüfte an die Anrichte. »Ich habe ihn auch gespürt.«
Sie zog die Stirn in Falten und trommelte mit den Fingern auf die gekachelte
Arbeitsplatte. »Ich habe etwas gerochen, Hannah, etwas Altes und Erbittertes
lag im Wind.«
»Das Böse?«, fragte Hannah behutsam.
Kate schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, nicht
direkt. Also, wenn du so fragst«, sagte sie ausweichend, »vielleicht doch. Ich
weiß es nicht. Was hast du davon gehalten?«
Hannah lehnte sich an das gekachelte Spülbecken.
Ihr Körper war so anmutig, dass diese lässige Bewegung tänzerisch erschien.
»Ich weiß es wirklich nicht, Kate, aber das hat nichts Gutes zu bedeuten. Meine
Unruhe hat seit dem Erdbeben nicht nachgelassen, und als ich das Mosaik
betrachtet habe, war ein schwarzer Schatten unter dem Boden zu sehen. Ich
konnte ihn kaum erkennen, weil er sich zu bewegen und nicht an einem Ort zu
bleiben schien.«
Kate warf einen Blick auf den Fußboden im Eingang
des Hauses. Ihre Großmutter hatte gemeinsam mit ihren sechs Schwestern, Frauen,
die Macht und Magie besaßen, dieses Mosaik erschaffen; sieben Schwestern, die
ein zeitloses Kunstwerk von unendlicher Schönheit hervorgebracht hatten. Für
die meisten Menschen war es nichts weiter als ein einzigartiger Mosaikfußboden,
aber die Drake-Schwestern konnten in die sich ständig wandelnden Schatten, die
darin verliefen, viele Dinge hineinlesen. »Ich finde es ungemein seltsam, dass
keine von uns beiden genau weiß, ob das Phänomen eine Verkörperung des Bösen
ist.« Sie zuckte die Achseln und sog die Luft, die von Zimt und Zedern erfüllt
war, tief ein. »Ich liebe diese weihnachtlichen Gerüche«, sagte sie lächelnd.
»Du enthältst mir etwas vor«, unterstellte Hannah
und aus ihrer Stimme war plötzlich liebevoller Spott herauszuhören. »Es ist
noch etwas anderes vorgefallen, stimmt's?«
»Als das Erdbeben begonnen hat, hat Matthew seinen
Arm um mich gelegt, um mir Halt zu geben, und so haben wir auch noch
dagestanden, als längst alles vorbei war.« Sie grinste Hannah an. »Er ist ja so
stark. Du machst dir keine Vorstellung davon. Der Mann besteht nur aus Muskeln.
Es ist ein Wunder, dass ich nicht zu einer Pfütze vor seinen Füßen zerflossen
bin! Aber es ist mir gelungen, heiter und gelassen zu wirken.«
Hannah tat so, als würde sie ohnmächtig. »Ich
wünschte, dieser Anblick wäre mir vergönnt gewesen. Matthew ist ein ganz
scharfer Typ, auch wenn er ein Neandertaler ist. Ich muss direkt danach auf die
Aussichtsplattform gekommen sein, gerade noch rechtzeitig, um die Ankunft des
schleimigen Kröterichs in seinem kleinen Sheriffmobil nicht zu verpassen.« Sie
lächelte süffisant. »Ein Jammer, dass Wind aufgekommen ist und sein albernes
kleines Hütchen aufs Meer hinausgeweht hat.«
»Schäm dich, Hannah«, schalt Kate ihre Schwester
halbherzig aus. »Jonas meint es gut. Er ist es nun mal gewohnt, dass alle genau
das tun, was er sagt, und immer, wenn es in Sea Haven Ärger gibt, sieht es so
aus, als steckten wir mittendrin. Mit der Zeit macht es dir anscheinend Spaß,
ihn zu quälen.«
»Weshalb sollte es mir keinen Spaß machen? Er hat
mich jahrelang gequält.«
Hannahs Stimme klang derart verletzt, dass Kate
ihrer Schwester einen Arm um die Taille schlang, um sie zu trösten. Jonas
kannte sie alle schon seit ihrer Kindheit und er hatte Hannah nie verstanden.
Sie war ein außergewöhnlich schönes und hochintelligentes Band gewesen, aber
außerhalb der Mauern ihres eigenen Hauses war sie so qualvoll schüchtern, dass
die Schwestern Tag für Tag ihre magischen Kräfte einsetzen mussten, damit sie
es überhaupt in die Schule schaffte. Jonas war der Überzeugung gewesen, sie sei
hochmütig, doch in Wirklichkeit war es ihr so gut wie nie gelungen, in der Öffentlichkeit
auch nur ein Wort von sich zu geben. »Ich finde, alles in allem war es ein
guter Tag. Du hast es geschafft, Jonas um einen weiteren Hut zu bringen, und
ich habe es hingekriegt, dem schärfsten Mann von Sea Haven nahe
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