Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
davor, in Tränen auszubrechen. »Es ist etwas viel, viel
Schlimmeres.«
»Kate.« Er strich ihr zärtlich über den Hinterkopf.
Ihr Haar war unter der Kapuze des Umhangs verborgen, doch er ließ seine Hand
trotzdem dort liegen. »Es ist nicht das erste Mal, dass eine Horde von Kindern
beschlossen hat, etwas anzustellen, und es wird auch nicht das letzte Mal
sein.«
Die Adventskränze lagen in einem Kreis um sie
herum, einige zerquetscht oder platt gedrückt und andere noch halbwegs gut in
Form. Kate löste ihr Gesicht von seiner Brust und holte Atem. »Ich kann es
riechen, du nicht?«
Matt atmete tief ein. Er erkannte den widerlichen
fauligen Geruch der Gase in der alten Mühle. Sein Herz machte einen Satz. »Verdammt
noch mal, Kate. Allmählich glaube ich dir. Lass uns sofort von hier
verschwinden, bevor ich beschließe, dass ich übergeschnappt bin.«
Sie riss sich aus seinen Armen los. »Dafür hältst
du mich also? Für übergeschnappt?«
»Natürlich nicht. Es ist nur alles so verflucht
seltsam.«
Ihre meergrünen Augen glitten über sein Gesicht,
mit einer Spur von Trübsinn und einer Spur von Übermut. »Du solltest dich
besser auf einiges gefasst machen. Es wird nämlich noch viel seltsamer werden.
Rühr dich nicht von der Stelle.«
Der Nebel wogte um sie herum, um ihre Gesichter,
ihre Füße und ihre Körper, und webte Netze aus anthrazitfarbener Materie. Wie
vor dem Haus auf der Klippe hatte Matt auch jetzt wieder den Eindruck von
knochigen Fingern. Diesmal versuchten sie, nach Kate zu greifen. Ohne
nachzudenken hob er sie hoch und rannte los, denn er verspürte den unbändigen
Drang, sie aus der Reichweite dieser langen grauen Tentakel zu entfernen, doch
sie waren von dichtem Nebel eingehüllt.
Kate presste ihre Lippen an sein Ohr. »Bleib
stehen! Ich muss versuchen, es aufzuhalten, Matthew. Das ist nun mal meine
Aufgabe. Wir können nicht vor dem Nebel davonlaufen, er ist überall.«
»Verdammt noch mal, Kate, das gefällt mir überhaupt
nicht.« Als sie nichts darauf sagte, stellte er sie widerstrebend auf den Boden
und blieb ganz dicht neben ihr stehen, damit er jederzeit eingreifen konnte.
Sie wandte sich in die Richtung ihres Hauses. Ihr
Gesichtsausdruck war heiter und gelassen, nachdenklich und doch entschlossen.
Sie strahlte große Schönheit, ein inneres Feuer und Kraft aus. Sie stimmte
flüsternd einen zarten, melodischen Gesang an, der sich mit der Nacht und der
Luft, die sie umgab, verband. Sie sprach nicht etwa Englisch, sondern eine
Sprache, die er nicht kannte. Ihre Stimme war ruhig und beschwichtigend, eine
freundliche Einladung an einen Ort des Friedens und des harmonischen Einklangs
mit der Erde.
Der Nebel atmete heftiger ein und aus, ein
Schnaufen, das nach einem Raubtier klang. Der Dunst schien vor Wut zu beben, zu
brodeln und zu kreisen und sich dunkler zu färben. Grauer Nebel wirbelte um die
Adventskränze zu Matts Füßen herum, heftig genug, um sie in die Luft zu heben.
Saftige grüne Kränze verwelkten und wurden schwarz, als würde jegliches Leben
aus ihnen herausgesogen. Sie erinnerten Matt an triste Kränze für ein Begräbnis
und nicht mehr an den fröhlichen Festtagsschmuck. Und jedes Einzelne dieser
Wurfgeschosse schien geradewegs auf Kate gerichtet zu sein.
Der Atem stockte in seiner Kehle und sein Herz
pochte heftig. Der Angriff des heimtückischen grauschwarzen Dunstes ließ Kate
klein und zerbrechlich wirken. Matt glitt geschmeidig zur Seite und stellte
sich den geschwärzten geflochtenen Zweigen in den Weg, so dass sie von seiner
größeren Gestalt abprallten. Kate ignorierte den Nebel und die Kränze und
konzentrierte sich auf etwas in ihrem Innern. Sie hielt ihren Blick starr auf
das Haus auf den Klippen gerichtet und riss abrupt ihre Arme senkrecht in die
Luft. Der Wind wehte mit unbändiger Kraft vom Meer her. Er trug den frischen
Geruch des Meeres, den Geschmack der Wellen und salzige Gischt zu ihnen. Er
trug aber auch Stimmen mit sich, leise, melodisch und sehr feminin. Der Wind
rauschte durch die Nebelbank und die Kraft der Stimmen schwoll an. Kates Stimme
fiel in den Gesang ein, bis sie alle in vollendeter Harmonie miteinander waren
und alles um sich herum nach Belieben befehligen konnten.
Die wirbelnden Adventskränze fielen auf die Straße.
Der Nebel wich zurück, zog landeinwärts und legte sich wie eine Decke über die
Wohnhäuser, doch der Wind blieb beharrlich, änderte die Richtung und drängte
den Nebel zum Meer zurück. Kate wirkte
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