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Dramatische Werke

Dramatische Werke

Titel: Dramatische Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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Bei deinem Volk, Johanna! Bei den Deinen!
    König.
In deiner Freunde, deines Königs Armen!
    Johanna (nachdem sie ihn lange starr angesehen).
Nein, ich bin keine Zauberin! Gewiß ich bins nicht.
    König.
Du bist heilig wie die Engel,
Doch unser Auge war mit Nacht bedeckt.
    Johanna (sieht heiter lächelnd umher).
Und ich bin wirklich unter meinem Volk.
Und bin nicht mehr verachtet und verstoßen?
Man flucht mir nicht, man sieht mich gütig an?
– Ja, jetzt erkenn ich deutlich alles wieder!
Das ist mein König! Das sind Frankreichs Fahnen!
Doch meine Fahne seh ich nicht – Wo ist sie?
Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen,
Von meinem Meister ward sie mir vertraut,
Vor seinem Thron muß ich sie niederlegen,
Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu.
    König (mit abgewandtem Gesicht).
Gebt ihr die Fahne!
    (Man reicht sie ihr. Sie steht ganz frei aufgerichtet, die Fahne in der Hand – Der Himmel ist von einem rosigten Schein beleuchtet)
    Johanna.
Seht ihr den Regenbogen in der Luft,
Der Himmel öffnet seine goldnen Tore,
Im Chor der Engel steht sie glänzend da,
Sie hält den ewgen Sohn an ihrer Brust,
Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen.
Wie wird mir – Leichte Wolken heben mich –
der schwere Panzer wird zum Flügelkleide.
Hinauf – hinauf – Die Erde flieht zurück –
Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!
    (Die Fahne entfällt ihr, sie sinkt tot darauf nieder – Alle stehen lange in loser Rührung. Auf einen leisen Wink des Königs werden alle Fahnen sanft auf sie niedergelassen, daß sie ganz davon bedeckt wird)
     

 
Die Braut von Messina
oder
die feindlichen Brüder
    Ein Trauerspiel mit Chören.
    1803
     
     
     
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Personen:
    Donna Isabella , Fürstin von Messina.
    Don Manuel und Don Cesar , ihre Söhne.
    Beatrice .
    Diego .
    Boten.
    Chor, bestehend aus dem Gefolge der Brüder.
    Die Aeltesten von Messina, reden nicht.
     

Ueber den Gebrauch des Chors in der Tragödie.
    Ein poetisches Werk muß sich selbst rechtfertigen, und wo die That nicht spricht, da wird das Wort nicht viel helfen. Man könnte es also gar wohl dem Chor überlassen, sein eigener Sprecher zu sein, wenn er nur erst selbst auf die gehörige Art zur Darstellung gebracht wäre. Aber das tragische Dichterwerk wird erst durch die theatralische Vorstellung zu einem Ganzen; nur die Worte gibt der Dichter, Musik und Tanz müssen hinzukommen, sie zu beleben. Solange also dem Chor diese sinnlich mächtige Begleitung fehlt, solange wird er in der Oekonomie des Trauerspiels als ein Außending, als ein fremdartiger Körper und als ein Aufenthalt erscheinen, der nur den Gang der Handlung unterbricht, der die Täuschung stört, der den Zuschauer erkältet. Um dem Chor sein Recht anzuthun, muß man sich also von der wirklichen Bühne auf eine mögliche versetzen; aber das muß man überall, wo man zu etwas Höherm gelangen will. Was die Kunst noch nicht hat, das soll sie erwerben; der zufällige Mangel an Hilfsmitteln darf die schaffende Einbildungskraft des Dichters nicht beschränken. Das Würdigste setzt er sich zum Ziel, einem Ideale strebt er nach, die ausübende Kunst mag sich nach den Umständen bequemen.
    Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese besitzt es. Es tritt vor den Vorhang mit einem unbestimmten Verlangen, mit einem vielseitigen Vermögen. Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören, das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm erst gegeben hat.
    Der Dichter, hört man einwenden, hat gut nach einem Ideal arbeiten, der Kunstrichter hat gut nach Ideen urtheilen; die bedingte, beschränkte, ausübende Kunst ruht auf dem Bedürfniß. Der Unternehmer will bestehen, der Schauspieler will sich zeigen, der Zuschauer will unterhalten und in Bewegung gesetzt sein. Das Vergnügen sucht er und ist unzufrieden, wenn man ihm da eine Anstrengung zumuthet, wo er ein Spiel und eine Erholung erwartet.
    Aber, indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauers nicht aufheben, sondern veredeln. Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die

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