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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Hermann)
Entschuldigen Sie.
(Ruft ins Wartezimmer)
Sascha! –
(Kommt nach vorn; zu Hermann)
Also, Sie gehen mit Einwilligung Ihres Vaters nach London. Ich kann Ihnen nach London die besten Empfehlungen mitgeben.
(Wirft sich auf den Diwan)
In erster Linie empfehle ich Ihnen, Ihre deutsche Sentimentalität zu Hause zu lassen. Mit Sozialdemokratie und Anarchismus macht man in London keinen Effekt mehr. Lassen Sie sich noch eines sagen. Das einzig richtige Mittel, seine Mitmenschen auszunutzen, besteht darin, daß man sie bei ihren guten Seiten nimmt. Darin liegt die Kunst, geliebt zu werden, die Kunst, redet zu behalten. Je ergiebiger Sie Ihre Mitmenschen übervorteilen, um so gewissenhafter müssen Sie darauf achten, daß Sie das Recht auf Ihrer Seite haben. Suchen Sie Ihren Nutzen niemals im Nachteil eines tüchtigen Menschen, sondern immer nur im Nachteil von Schurken und Dummköpfen. Und nun übermittle ich Ihnen den Stein der Weisen; das glänzendste Geschäft in dieser Welt ist die Moral. Ich bin noch nicht soweit, das Geschäft zu machen, aber ich müßte nicht der Marquis von Keith sein, wenn ich es mir entgehen ließe.
    Es läutet auf dem Korridor.
    v. Keith
ruft
    Sascha! –
(Sich erhebend)
Der Bengel kriegt Ohrfeigen.
    Er geht auf den Vorplatz und kommt mit dem Kommerzienrat Ostermeier zurück.
    v. Keith
    Sie könnten unmöglich gelegener kommen, mein bester Herr Ostermeier…
    Ostermeier
    Meine Kollegen im Aufsichtsrat, verehrter Freund, beauftragen mich…
    v. Keith
    Ich habe einen Plan mit Ihnen zu besprechen, der unsere Einnahmen verhundertfacht.
    Ostermeier
    Wünschen Sie eine von mir in der Generalversammlung abgegebene Erklärung, daß es mir heute wieder nicht gelungen ist, Ihre Geschäftsbücher zur Einsichtnahme zu erhalten?
    v. Keith
    Sie phantasieren, lieber Herr Ostermeier! – Wollen Sie mir nicht ruhig und sachlich auseinandersetzen, um was es sich handelt?
    Ostermeier
    Um Ihre Geschäftsbücher, verehrter Freund.
    v. Keith
aufbrausend
    Ich rackre mich für diese triefäugigen Dickschädel ab…
    Ostermeier
    Hat er also doch recht!
(Sich zum Gehen wendend)
Gehorsamer Diener!
    v. Keith
reißt die Schreibtisch-Schubladen auf
    Hier, bitte, schwelgen Sie in Geschäftsbüchern!
(Sich nach Ostermeier umwendend)
Wer hat also doch recht?
    Ostermeier
    Ein gewisser Herr Raspe, Kriminalkommissär, der gestern abend in der »American Bar« fünf Flaschen Pommery darauf gewettet hat, daß Sie keine Geschäftsbücher führen.
    v. Keith
sich in die Brust werfend
    Ich führe auch keine Geschäftsbücher.
    Ostermeier
    Dann zeigen Sie Ihr Kopierbuch.
    v. Keith
    Wo hätte ich seit der Gründung der Gesellschaft die nötige Zeit hernehmen sollen, um ein Büro einzurichten!
    Ostermeier
    Dann zeigen Sie mir Ihr Kopierbuch.
    v. Keith
sich in die Brust werfend
    Ich habe kein Kopierbuch.
    Ostermeier
    Dann zeigen Sie den Depositenschein, den Ihnen die Bank ausgestellt hat.
    v. Keith
    Habe ich Ihre Einzahlungen erhalten, um sie auf Zinsen zu legen?!
    Ostermeier
    Regen Sie sich nicht auf, verehrter Freund. Wenn Sie keine Bücher besitzen, dann notieren Sie sich Ihre Ausgaben doch irgendwo. Das tut doch jeder Laufbursche.
    v. Keith
wirft sein Notizbuch auf den Tisch
    Da haben Sie mein Notizbuch.
    Ostermeier
schlägt es auf und liest
    »Eine Silberflut von hellvioletter Seide und Pailletten von den Schultern bis auf die Knöchel –« Das ist der ganze Mensch!
    v. Keith
    Wenn Sie mir jetzt, nachdem ich Erfolg auf Erfolg erzielt habe, Knüppel in den Weg werfen, dann können Sie mit aller Bestimmtheit darauf rechnen, daß Sie von Ihrem Gelde weder in dieser noch in jener Welt etwas wiedersehen!
    Ostermeier
    So schlecht stehen die Feenpalastaktien nicht, verehrter Freund. Wir sehen unser Geld schon wieder. – Gehorsamer Diener!
(Will geben.)
    v. Keith
ihn aufhaltend
    Sie untergraben das Unternehmen durch Ihre Wühlereien! Verzeihen Sie, verehrter Herr; ich rege mich auf, weil ich mit dem Feenpalast empfinde wie ein Vater mit seinem Kind.
    Ostermeier
    Dann machen Sie sich Ihres Kindes wegen nur gar keine Sorgen mehr. Der Feenpalast ist gesichert und wird gebaut.
    v. Keith
    Ohne mich?
    Ostermeier
    Wann's sein muß, ohne Sie, verehrter Freund!
    v. Keith
    Das können Sie nicht!
    Ostermeier
    Sie sind jedenfalls der letzte, der uns daran hindern wird!
    v. Keith
    Das wäre ein infamer Schurkenstreich!
    Ostermeier
    Das wär' noch schöner! Weil wir uns von Ihnen nicht länger betrügen lassen wollen, schimpfen Sie uns

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