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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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dich Ludovicus und hast vordem in Baschi dem Hüten von Vieh obgelegen. Angeklagt bist du des crimen laesae majestatis, wie es schon durch die unvergängliche Gesetzgebung unserer großen Vorfahren, der alten Römer, mit schweren Strafen bedroht worden ist; des Verbrechens der verletzten Majestät oder, wie es mit anderen Worten heißt, der Beleidigung der geheiligten Person des Königs. Bekennst du dich dieses Verbrechens für schuldig?
    Der König
    Ja.
    Der Gerichtsaktuar
zu Alma
    »Ja« hat er gesagt. Aufschreiben, mein Junge! Genau aufschreiben!
    Der Oberrichter
    Nach den übereinstimmenden Aussagen von vier einwandfreien Zeugen waren deine Worte: »Dreimal Fluch auf den König! Es falle des Königs Haupt unter dem Henkerbeil!«
    Der König
    Das waren meine Worte.
    Der Gerichtsaktuar
zu Alma
    »Das waren meine Worte! Josef Maria, ein Tintenklex! Junge, ist denn heute der Leibhaftige in dich gefahren?!
    Der Oberrichter
    Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?
    Der König
    Nichts.
    Michele
    Nichts hat er vorzubringen! Habt Ihr's gehört? Er hat nichts vorzubringen!
    Meister Pandolfo
    Aus elendiger Rachsucht gegen mich spie er seine gräßlichen Flüche aus! Mich, mein Geschäft und meine ganze Familie wollte er ins Verderben stürzen!
    Der Oberrichter
    Ruhe auf der Zeugenbank! – Nun, was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?
    Der König
    Nichts. – Nach der Majestät Gottes steht wohl die Majestät des Königs am höchsten in dieser Welt. So wenig wie Gottes Majestät je unter den Flüchen der Menschheit gelitten, so wenig leidet wohl auch die Majestät des Königs darunter. Könnte die Majestät Gottes dadurch verringert werden, daß die niedrige Menschheit erklärt: Wir glauben nicht mehr an Dich? Könnte die königliche Majestät dadurch verringert werden, daß die Menschen sagen: Wir gehorchen Dir nicht mehr? Wer wollte das auch nur für möglich halten! – Gott ist in Niedrigkeit auf Erden gewandelt, und die niedrige Menschheit glaubte ihn zum Tode zu führen. Und so mag die niedrige Menschheit glauben, den König zu verjagen; er bleibt, wo er war. Ob sie ihm zurufen, es falle dein Haupt unter dem Henkerbeil, es thut ihm keinen Eintrag. Deshalb, mag auch nächst der Lästerung Gottes die Lästerung des Königs das fluchwürdigste Verbrechen sein – ein Verbrechen, dessen ich mich, wie ich offen bekannte, mit meinen Worten schuldig gemacht – mir scheint es für den König zu gleichgültig und zu geringfügig, als daß er es je zu rächen brauchte; mir scheint es zugleich zu furchtbar, als daß die niedrige Menschheit sich vermessen dürfte, es je zu sühnen. Hat doch die niedrige Menschheit keine höhere Gewalt als über Leben und Tod, und kann sie doch nicht wissen, ob der Elende nicht den Tod, und sei er noch so qualvoll, als die Erlösung von tausend Qualen willkommen hieße! – Diese Gründe habe ich dafür zu nennen, daß für mein Verschulden von den Richtern, vor denen ich stehe, keinerlei Strafe über mich verhängt werden kann.
(Allgemeines Gemurmel des Unwillens.)
Jetzt laßt mich, weise und geehrte Richter, die Gründe nennen, die es Euch zur heiligen Pflicht machen, mich unter Anwendung der äußersten Strenge menschlicher Gerechtigkeit zu verurteilen.
    Noè
    Ich habe es euch doch gleich gesagt: der Kerl ist vollkommen verrückt!
    Der Oberrichter
zur Zeugenbank
    Ruhe! –
(Zum König)
Sprich weiter!
    Der König
    Der Majestät des Königs konnten meine Worte, wie ich es der menschlichen Vernunft gemäß erwiesen, keinerlei Eintrag thun. Aber leider ist das Vertrauen in die Majestät des Königs nächst dem Vertrauen in die Allgüte einer Vorsehung das höchste und heiligste Besitztum der niedrigen Menschheit. Was die Erdensöhne seit undenklichen Zeiten an ewigen Wahrheiten, gegen die sich keiner, sei er Gebieter oder Sklave, ungestraft versündigt, erfahren haben, das stellten sie unter Gottes heilige Obhut. Alles, was ihr und der Ihrigen Leib und Leben, was ihre Habe und das Gedeihen ihres Tagewerkes betrifft, das stellten sie in kindlichem Vertrauen in die Weisheit ihrer Vorfahren in ihres Königs Obhut. In ihrem Könige erkennt die niedrige Menschheit das Abbild des eigenen Glückes, und wer dieses Abbild befleckt, der raubt ihr den Mut zur Arbeit und die Ruhe der Nacht. Dieser Sünde bin ich in weit höherem Maße schuldig, als es menschliche Gerechtigkeit ermißt. Unmöglich kann die Strafe, die man über mich verhängt, der Schwere meines Verbrechens gleichkommen.

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