Dramen
Mag sie sich gegen mein Leben richten, mag sie ausfallen, wie immer sie will, ich werde sie als eine Gnade Gottes aus Eurer Hand, ihr Richter, entgegennehmen.
Der Oberrichter
Die Gnade deines Herrn, unseres teuren und geliebten Königs, hat dir einen rechtskundigen Verteidiger zur Seite gegeben. – Der würdige Herr Corrado Ezzelino, Lehrer und Doctor beider Rechte, hat das Wort.
Der Verteidiger
erhebt sich
Meine hochwohlweisen, hochgerechten, würdigen, hochgeehrten Richter! Erlaubt mir vorerst ein Wort über unseren wackeren und verdienten Mitbürger, den Schneidermeister Cesare Pandolfo, zu reden. Tiefgebeugt unter der Wirkung des unter seinem Dache begangenen verabscheuenswürdigen Verbrechens sehen wir ihn heute auf der Zeugenbank sitzen. Wir alle kennen die Tüchtigkeit seiner Gesinnung; wir alle, wie wir hier versammelt sind, kennen die Gediegenheit seiner Arbeit. Keinem unter uns wird es je einfallen, dessen glaube ich Meister Pandolfo in unser aller Namen versichern zu dürfen, ihn auch nur im entferntesten mit dem unter seinem Dache begangenen, verabscheuenswürdigen Verbrechen in Beziehung zu bringen! – Was nunmehr den Angeklagten betrifft, den zu verteidigen ich die traurige Pflicht habe, so ist er augenscheinlich ein ganz verkommenes Subjekt, viel würdiger unserer tiefsten Verachtung als eines nach den erhabenen Normen des hohen römischen Rechtes klüglich gefällten Urteils. Lasset, o Richter, an diesem Auswurf unserer teuren menschlichen Gemeinschaft das Wort der Schrift sich bewahrheiten, in der es heißt: Du sollst deine Perlen nicht vor die Säue werfen! Da der Angeklagte in seiner beispiellos, geistigen und sittlichen Verkommenheit die Ehre, die ihm durch ein auf der heiligen Wage der Gerechtigkeit abgewogenes Urteil zu teil würde, unmöglich ihrem vollen Werte entsprechend zu schätzen wüßte, so ersuche ich Euch, hochwohlweise und geehrte Richter, um der Hoheit unseres Berufes nicht zu nahe zu treten, es bei einer Prügelstrafe bewenden zu lassen. Sollte Euch, hochwohlweise und geehrte Richter, eine Prügelstrafe nicht ausreichend erscheinen, so könnte die Prügelstrafe vielleicht durch eine dreitägige Ausstellung am Schandpfahl auf dem Markte von Perugia ergänzt werden.
Der Oberrichter
Ich erteile das Wort dem Prokurator des Königs, unserem würdigen Herrn Silvio Andreotti, Doctor beider Rechte.
Der Prokurator des Königs
der sich während der ganzen Verhandlung stöhnend und gähnend in seinem Sessel gewälzt hat
Hochgeehrte Richter! Der Angeklagte ist, wie die treffliche Verteidigungsrede des würdigen Herrn Corrado Ezzelino richtig festgestellt hat, ein verkommenes Subjekt, ein Auswurf unserer teuren menschlichen Gemeinschaft, ein Individuum von beispielloser, sittlicher Verkommenheit, dem ich indessen eine gewisse geistige Verschmitztheit, um mich deutlicher auszudrücken, eine gewisse Bauernschlauheit nicht absprechen möchte. Auf diese Bauernschlauheit deuten seine eigenen Worte hin, die er hier gesprochen, sowie die Thatsache, daß er in der Absicht, unsere Urteilskraft von vornherein durch einen günstigen Eindruck zu bestechen, seine That gar nicht zu leugnen versucht hat. Wenn nun aber ein auf der tiefsten Stufe menschlicher Verkommenheit stehendes Individuum ein so himmelschreiendes Verbrechen begeht, dann ist dieses Individuum überhaupt nicht mehr als menschliches Wesen anzusehen, sondern als wildes Tier, und als solches, wie der Angeklagte, in der Absicht unsere Urteilskraft zu bestechen, selber sehr treffend hervorhob, als der verderblichste Feind unserer so teuren menschlichen Gemeinschaft, die mich und Euch, ihr Richter, zu ihrem Schutze berufen und hierhergestellt hat. Solch ein wildes Tier verdient aber durch seine Niedrigkeit sowie durch seine Gemeingefährlichkeit kein anderes Schicksal, als daß es durch den Tod vernichtet und seine Spur von dieser Erde vertilgt werde!
Der Oberrichter
Angeklagter Ludovicus! Was hast du hierauf noch zu sagen?
Der König
Nichts.
Der Oberrichter
Die Zeugen sind entlassen! – Das Gericht zieht sich zur Fällung des Urteils in das Beratungszimmer zurück.
Die Zeugen, die Richter und der Prokurator des Königs verlassen den Saal
Der Gerichtsaktuar
die Hände über den Kopf zusammenschlagend, zu Alma, die in Thränen gebadet über dem Protokoll sitzt
Hilf mir, heilige Maria, Mutter Gottes, hat mir der Bengel in seiner Albernheit mein ganzes Gerichtsprotokoll vollgeheult! Nicht ein Buchstabe mehr zu lesen! Die
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