Dramen
sie in die nötige Leidenschaftlichkeit geraten?
Kadidja
Ich will's versuchen.
Buridan
schlägt die Saiten an
Dies ist die Stimmung. – Hopp!
Kadidja
singt in diesem Falle folgendes Lied
:
Du auf deinem höchsten Dach!
Ich in nächster Nähe!
Doch die wahre Liebe, ach,
Schwankt in solcher Höhe!
Du in deinem Herzen leer,
Ich in blindem Wahne –
Dreh dich hin, dreh dich her,
Schöne Wetterfahne!
Unterhaltend pfeift der Wind,
Saust uns um die Ohren;
Von des Himmels Freuden sind
Keine noch verloren!
Meinst du, daß verliebt ich bin,
Weil ich dich ermahne –?
Dreh dich her, dreh dich hin,
Schöne Wetterfahne!
Drehn wir uns auf hohem Turm
Immer froh und munter!
Schon der erste Wintersturm
Schleudert dich hinunter.
Wenn dann auch verflogen wär',
Was ich jetzt noch ahne –
Dreh dich hin, dreh dich her,
Schöne Wetterfahne!
Buridan
Und jetzt gleich noch der Tanz »Junges Blut«
Er singt, sich auf der Laute begleitend, während Kadidja dazu tanzt:
Tanz, mein Liebchen, so wild du
Tanzen kannst, tanzen kannst!
Hurtig tummle dich, wie kein
Satan tanzt, Satan tanzt!
Wirf dir übern Kopf die Schuh,
Wirf dein Röckchen auch dazu!
Schlenkre Fuß und
Waden ohne Ruh'!
Bis es knackt, schwing' exakt,
Auch im tollsten Takt
Hurtig wie vorher nie
Deine weißen Knie!
Lustbeflügelt derweil
Zuckt dein Hinterteil.
Frisch fang' an, heißer dann,
Als dein erster Tanz begann!
Kadidja
wirft sich Buridan in die Arme und birgt ihren Kopf an seiner Brust
Ich habe das alles entsetzlich schlecht gemacht!
Buridan
sie küssend
Du hast wilder getanzt, als ich es je von dir gesehen habe. – Wolltest du mir doch nur das bißchen Zeit lassen, das ich zu meiner geistigen Sammlung brauche, um mich solcher Augenblicke wieder aus vollem Herzen freuen zu können!
Kadidja
erregt
Wer bürgt mir denn aber dafür, daß du dich mit deinen geistigen Fragen und Aufgaben beschäftigst, wenn du mich den ganzen Tag und den ganzen Abend allein läßt und dann, wenn du endlich gegen Morgen nach Hause kommst, nur Mißvergnügen und Teilnahmslosigkeit für mich übrig hast!
(Auf und nieder gehend)
: Ich glaube jeden Abend zwei volle Stunden daran, daß du dich auswärts mit deinen geistigen Aufgaben beschäftigst. Ich glaube auch noch eine dritte Stunde daran. In der vierten Stunde frage ich mich dann aber endlich, wer ich denn nun eigentlich bin! Dir haben hundert und hundert Frauen nur dadurch die Zeit vertrieben, daß sie dir all ihr Liebesabenteuer erzählten. Bin ich vielleicht so armselig, daß ich nichts zu erzählen fände, wenn ich die Möglichkeit hätte, etwas zu erleben? Ich soll mit gebundenen Gliedern mit allen erdenklichen Frauen um dich kämpfen, die sich vollkommen frei bewegen können?
Buridan
Du bist auf meine Vergangenheit eifersüchtig. Du verzeihst es mir nicht, daß ich, bevor wir uns kennen lernten, mehr erlebt habe als du.
Kadidja
Im Gegenteil! In deine Vergangenheit hatte ich mich längst verliebt gehabt, als wir uns zum erstenmal begegneten. Aber dafür müßte mein Wert für dich nun auch meine Gegenwart sein! Danke schön! Zu Hause soll ich mich dadurch verdient machen, daß ich nicht vorhanden bin, und gehen wir zusammen aus, dann bedrückt dich meine Erscheinung. Sieht mich jemand an, weil ich ihm gefalle, dann tönt ein Fluch von deinen Lippen. Das ist dem keine Freude, das ist mir keine Freude, und dir kann es auch keine Freude sein. Bin ich dazu von Gott geschaffen?
Buridan
Als wir uns kennen lernten, geliebtes Herz, da warst du dir deines Sieges so sicher wie ein Götterkind! Du erblicktest nicht die geringste Schwierigkeit in unserem Zusammensein, während mich die Furcht vor dem Unheil, in das sich auch das größte Glück verwandeln kann, sehr ernst stimmte. Jetzt entmutigt es dich, daß auch bei der größten Liebe das gemeinsame Glück mühevoll erobert werden muß. Und ich sage mir jeden Tag, daß ich mir diese Eroberung tausend und tausendmal schwerer vorgestellt hatte.
Kadidja
Dazu hast du auch allen Grund! Jede Widerwärtigkeit räume ich dir ängstlich aus dem Wege. Die Absätze an meinen Schnürstiefeln sind mit Gummi beschlagen, damit du meine Schritte in der Wohnung nicht hörst. Oder koste ich zuviel? – Wenn ich in einem Schaufenster einen Schmuck liegen sehe, den ich gerne haben möchte und für den ich das Geld nicht ausgeben will, dann gehe ich jeden Tag an dem Schaufenster vorüber und sehe mir den Schmuck an, und sehe ihn mir täglich so lange an, bis er mir vollständig verleidet
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