Dramen
Erscheinungswelt ist uns ein loser Possenreißer. Die Freude am Geist, die Ehrerbietung vor der Erscheinungswelt, das sind die beiden Elemente, die ich, bevor ich sterbe, noch miteinander aussöhnen möchte…
(Da es klopft)
: Herein!
Eine Zofe bringt einen Karton herein, den sie auf den Diwan stellt.
Die Zofe
Eine schöne Empfehlung von Herrn Schneidermeister Mück, und das sei das Phantasiekostüm für die gnädige Frau.
Buridan
zu Kadidja
Was ist das für ein Kostüm?
Kadidja
Das ist mein Phantasiekostüm für das Hochzeitsballett im dritten Akt.
Buridan
Ach ja! Wir haben ja morgen abend Vorstellung!
(Zu der Zofe)
: Hat Herr Schneidermeister Mück eine Rechnung mitgeschickt?
Die Zofe
Der Herr Schneidermeister Mück läßt sagen, der Herr Buridan werden es dann schon berichtigen.
Buridan
gibt ihr Geld
Geben Sie das dem Boten.
Die Zofe
Sehr schön.
(Ab.)
Buridan
Dann würde ich aber das Kostüm jedenfalls heute noch anprobieren.
Kadidja
Wer kann wissen, ob ich jemals darin auftreten werde.
Buridan
Aber du mußt doch wenigstens sicher sein, daß es dir paßt.
Kadidja
Gut, dann gehe ich und ziehe es an.
(Sie nimmt den Karton, legt Buridan die Arme um den Hals und küßt ihn.)
Sei mir nicht böse, daß ich dich so gequält habe.
Buridan
Ich bin gespannt, wie du darin aussiehst.
(Kadidja mit dem Karton ab. – Buridan setzt sich hinter den Schreibtisch, schlägt ein Manuskript auf und schreibt.)
Zweite Szene
Die Zofe bringt auf einem silbernen Teller eine Karte herein.
Die Zofe
Der Herr läßt fragen, ob Herr Buridan zu sprechen sind.
Buridan
liest die Karte
Dr. Cajetan Prantl. – Ich lasse bitten.
(Er geht mit der Zofe hinaus und kommt mit Dr. Prantl zurück.)
Wie komme ich zu dieser Auszeichnung, daß sich Hochwürden selbst zu mir bemühen?
Dr. Prantl
eine jugendliche Erscheinung von tadellosem Auftreten
Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin die drei Treppen augenscheinlich zu rasch heraufgestiegen.
Buridan
Ich wohne allerdings sehr hoch. Am Tage ist dafür die Aussicht um so freier. Darf ich Sie ersuchen, Platz zu nehmen.
Dr. Prantl
sich setzend
Sie haben mir heute nachmittag die Ehre Ihres Besuches erwiesen.
(Nach Atem ringend)
: Verzeihen Sie, ich habe etwas mit meinem Herzen zu kämpfen.
Buridan
setzt sich auf den Diwan
Bitte, wir haben Zeit.
Dr. Prantl
Sie hatten mir auf Ihrer Karte hinterlassen, daß Sie mich in einer sehr ernsten Angelegenheit dringend zu sprechen wünschten. Daher war es meine Pflicht , zu Ihnen zu kommen.
Buridan
Hochwürden wissen, um was es sich handelt.
Dr. Prantl
Ich kenne zwei Angelegenheiten, in denen Sie sich mir anvertraut haben. Die eine Angelegenheit ist Ihr Wunsch, sich mit der Dame, die Sie zu Ihrer Lebensgefährtin erwählt haben, und die meines Wissens auch künstlerisch Ihre Partnerin ist, kirchlich trauen zu lassen. Ich komme selbstverständlich nur in der Voraussetzung zu Ihnen, daß es diese Angelegenheit ist, um derentwillen Sie mich heute aufgesucht haben.
Buridan
Selbstverständlich handelt es sich bei mir in erster Linie um meine kirchliche Trauung. Vielleicht gestatten Sie mir, Ihnen zu bekennen, daß mir, als ich Sie heute nachmittag zu sprechen suchte, die andere Angelegenheit auch ein ganz klein wenig am Herzen lag.
Dr. Prantl
In dieser anderen Sache wäre ich natürlich nie in meinem Leben zu Ihnen gekommen.
Buridan
Selbstverständlich!
Dr. Prantl
Sie fragen in Ihrem Schreiben vom neunundzwanzigsten vorigen Monats bei uns an, welche Gründe Seine Exzellenz von Sporck zur Einsprache gegen die Aufführung Ihres Trauerspiels »Pandora« bewogen haben. Auf Ihre vorige Eingabe hatten wir Ihnen schon erwidert, daß Seine Exzellenz als Beichtvater Seiner Majestät diese Einsprache gegen die Aufführung Ihres Trauerspiels erheben mußten , und daß die Einsprache Seiner Exzellenz unmöglich zurückgenommen werden könnte. Die Gründe, die uns zu unserer Einsprache nötigten, schriftlich zu Ihrer Kenntnis gelangen zu lassen, dazu sehen wir uns nicht im geringsten veranlaßt.
Buridan
Es schmerzt mich tief, Herr Doktor, daß der Ton, dessen Sie sich heute bedienen, so grundverschieden von der liebenswürdigen Herzlichkeit ist, mit der Sie mich bei meinem ersten Besuch bei Ihnen empfingen.
Dr. Prantl
Das erklärt sich einfach daraus, daß ich Ihrem Wunsch, sich kirchlich trauen zu lassen, damals unvergleichlich mehr Teilnahme entgegenbrachte als Ihren schriftstellerischen Mißhelligkeiten. Außerdem kannte ich
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