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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Ihren Beruf auslegen, einfach irrig. Es hat ja allerdings einmal jemand gesagt: Wo die Vernunft aufhört, beginnt der Glaube. Ich erblicke darin eine Herabwürdigung des Glaubens. Ich finde, daß in dem ganzen Riesendom unseres Glaubens die Vernunft nirgends aufhört. Ich finde im Gegenteil, daß die höchste Spitze dieses herrlichen Gebäudes aus der höchsten, auf ewig unübersteigbaren Entfaltung der Vernunft besteht. Ich finde, daß jeder Pfeiler, jedes Gewölbe dieses Gebäudes nur durch die Vernunft im unerschütterlichen Gleichgewicht festgehalten wird, nur durch die Vernunft seit Jahrtausenden gegen jeden Wolkenbruch, gegen jedes Erdbeben gesichert ist.
    Dr. Prantl
    Es ist nicht gerade taktvoll von Ihnen, daß Sie mir auf diesem Gebiet das richtige Verständnis absprechen. Die Anschauungen, die Sie äußern, sind schon zu den verschiedensten Zeiten aufgetaucht und wurden jedesmal gründlich widerlegt. Ich rufe Ihnen mit einem Wort den Unterschied zwischen Ihren halsbrecherischen Rechenkünsten und der Allmacht , die Sie damit verwechseln, ins Gedächtnis: Glauben Sie an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele?
    Buridan
    Glauben? – Ich sehe sie bewiesen durch jedes Lied, das gesungen wird. – Aber ich kann Ihnen aus tiefstem Herzen versprechen, daß ich Sie solcher Meinungsverschiedenheiten wegen niemals anfeinden würde.
    Dr. Prantl
entrüstet
    Sie bilden sich wohl gar ein, daß wir uns vor Ihnen fürchten?!
    Buridan
ängstlich
    Wie kommen Sie auf den Verdacht! Ich wagte damit anzudeuten, daß Sie nie etwas von mir zu fürchten haben würden. Mir ist meine innerste Überzeugung viel zu heilig, als daß ich sie je einem Menschen enthüllen würde, von dem ich nicht vollkommen sicher bin, daß er genau ebenso denkt wie ich.
    Dr. Prantl
    Ich kann Ihnen gar nicht ausdrücken, wie absolut gleichgültig uns Ihre Geheimniskrämerei ist! Sie befinden sich in einer bejammernswerten Verblendung, wenn Sie sich darauf verlassen, daß es in der christlichen Religion eine Geheimlehre gibt!
    Buridan
    Setzen wir einmal ruhig den Fall, es gäbe eine solche Geheimlehre, woher könnten Sie dann wissen, ob man sie Ihnen bis zum heutigen Tage nicht vorenthalten hat?
    Dr. Prantl
    Wenn Sie hoffen, uns mit derartigen zweideutigen Zugeständnissen die Freigabe Ihrer Theatervorstellung abdisputieren zu können, dann täuschen Sie sich gewaltig!
    Buridan
    Ich kann Ihnen bei allem, was heilig ist, schwören, daß mir die Freigabe meiner Theatervorstellung in diesem Augenblick vollständig gleichgültig ist! Diese Freigabe war mir aber auch schon beinahe ebenso gleichgültig, als ich vor vier Wochen zu Ihnen kam. Und wenn ich Ihnen damals den Wunsch aussprach, mit meiner Lebensgefährtin kirchlich getraut zu werden, so lag mir auch unsere kirchliche Trauung dabei nur sehr gering am Herzen, so war mir unsere kirchliche Trauung – nicht weniger als die Freigabe meiner »Pandora« – damals auch in letzter Linie nur ein willkommener Anknüpfungspunkt, nur ein Mittel zum Zweck. Das einzige Ziel, das ich mit allem, was ich mit Ihnen besprach, mit allem, um das ich Sie bat, verfolgt habe, sehnsüchtig verfolgt habe, heißhungrig verfolgt habe, waren Sie!
    Dr. Prantl
    Ich?!
    Buridan
    Sie! Ihr Reich! Der Geist, dessen Verkünder und Kämpfer Sie sind! Der Einklang, den ich seit frühester Kindheit mit diesem Reiche suche! Das Einverständnis, das ich seit frühester Kindheit mit den Wissenden der ewigen Wahrheiten suche! Ihr Beruf als Priester macht es Ihnen zur Pflicht, mich nicht zurückzuweisen! Sie glauben ja nicht, wie heiß, wie inbrünstig meine Seele nach dem Reiche verlangt, in dem zu wirken und zu kämpfen Sie das beneidenswerte Glück haben! Was gäbe ich in diesem Augenblick darum, wenn ich an Ihrer und Sie an meiner Stelle wären! Jedenfalls kann ich ohne Übertreibung behaupten, daß ich, ohne mich in Ihrem Reiche ergehen zu dürfen, einfach nicht leben kann. Ich meine das buchstäblich. Was seit Jahrtausenden als höchster Lebensgenuß geschätzt wird – von sinnlichen Genüssen rede ich natürlich gar nicht, aber Kunst und Literatur – das alles verliert nicht nur jeden Reiz für mich, sondern erregt mir ausgesprochenen Widerwillen, wenn es mir einige Zeit versagt war, mein Inneres mit den Gesetzen, durch die die Welt regiert wird, in Einklang zu bringen. Und dieser Zustand äußert sich körperlich bei mir. Bei den reichlichsten Mitteln, die der Mensch zur Befriedigung all seiner Begierden nötig hat, würde ich in

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