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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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die nötige Zeit nicht finde, dann sehe ich mir den Entwurf jeden Tag von allen Seiten an, und sehe ihn mir täglich so lange an, bis er mir vollständig verleidet ist. Dann habe ich die Zeit, die ich für die Ausarbeitung des Entwurfes nötig gehabt hätte, gespart!
    Kadidja
setzt sich ihm auf die Knie, küßt ihn und sagt scherzend
    Aber könntest du denn deine Schriftstellerei nicht für die nächsten zehn Jahre aufgeben? Du hast ja, bevor wir uns kannten, so unendlich viel geschrieben, daß es für die nächsten zehn Jahre vollauf ausreichen wird. Außerdem hast du doch jetzt deine Schauspielerei. Du hast dein öffentliches Auftreten mit mir zusammen. Und dann hast du deine Musik, deine Lieder, die du mir mit der Reitpeitsche einstudierst! Und schließlich hast du doch auch noch deine Kinderspielzeuge, die du erfunden hast! Die hätte ich beinahe vergessen. Der deutsche Diskus, die Fahrradschaukel, das Kinderdrahtseil, die Lauftrommel. Könntest du denn, wenn du dich nach geistiger Betätigung sehnst, nicht wieder einmal ein Kinderspielzeug erfinden? Das nimmt dir erstens weniger Zeit weg, und zweitens macht es doch uns beiden ganz unvergleichlich mehr Vergnügen als deine Schriftstellerei! – Soll ich nicht wieder einmal auf deiner Lauftrommel durchs Zimmer gehen?
(Sich erhebend)
: Wo ist denn die Lauftrommel?
(Sie holt die Lauftrommel hinter dem Wandschirm vor und schiebt sie in den Stützen ins Zimmer.)
Da ist sie. Ich kann schon ziemlich gut ohne die Stützen darauf durchs Zimmer gehen. Soll ich es versuchen?
    Buridan antwortet nicht.
    Kadidja
schiebt die Lauftrommel an die Wand zurück
    Das scheint dich auch nicht mehr zu unterhalten.
    Buridan
    Du hast ja kein Publikum!
    Kadidja
    Ich habe kein Publikum. Schlimm genug! – Gelte ich dir denn noch etwas, wenn ich kein Publikum habe, dem ich gefalle? – Bin ich deshalb eine Exhibitionistin?
    Buridan
erhebt sich
    Liebe Kadidja, wir müssen unser Beieinandersein etwas vornehmer, etwas vertrauensvoller gestalten! Ein Glück ist unmöglich, wenn beide ununterbrochen davor zittern müssen, einander zu verlieren. Wir müssen aneinander glauben können! Wir haben ein geistiges Band zwischen uns nötig, das uns zusammenhält, auch wenn wir einmal vierzehn Tage lang nicht miteinander unter ein und demselben Dache wohnen!
    Kadidja
    Du beschäftigst dich doch wahrhaftig zur Genüge mit geistigen Dingen! Aber soll ich mich nun deshalb auch mit Philosophie und dergleichen abgeben? Ich tue das schon aus dem einfachen Grunde nicht, weil es mich nicht kleidet. Außerdem – wenn ich einmal damit begonnen habe, dir blauen Dunst vorzumachen, was bewahrt mich dann davor, daß ich es nicht auch in wichtigeren Dingen tun werde?
    Buridan
    Bei jedem Aufschwung, den die Seele nimmt, wird man sofort in die nüchterne Wirklichkeit hinabgezogen!
    Kadidja
Tränen in den Augen
    Deine Worte sind ungerecht! Auf deinen Kreuz- und Querfahrten durch alle fünf Weltteile hattest du jedes Gefühl für Natürlichkeit verloren. Bin ich deshalb »nüchterne Wirklichkeit«, weil du es bei mir wiederfandest? – Im Gegenteil, wenn ich, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, das große Wort über Kunst und Literatur führen wollte, wie das die Frauen zu Hunderten tun, dann wäre ich nüchterne Wirklichkeit für dich! Das erlebst du nicht an mir. Ehe ich die herrlichsten Gaben, die mir der Himmel verliehen hat, so kindisch entwürdige, biete ich mich lieber so, wie ich nun einmal geschaffen bin, auf offnem Markte aus.
    Buridan
    Kadidja! – Ich glaube, so wahr ich hier stehe, daß du dazu imstande wärst!
    Kadidja
    Fändest du das so ungeheuerlich? – Dann wärst du über meine Bedeutung im klaren. –
(Sich ihm nähernd)
: Ich möchte doch nur die echte Perle, die ich hier an dieser Hand,
(ihre Hand küssend)
an dieser entzückenden Hand trage, nicht deshalb, weil uns die Perle langweilig geworden ist, gegen einen falschen Diamanten vertauschen.
    Buridan
zurücktretend
    Es gelingt mir nicht für eine Minute mehr, mich selber wiederzufinden! Seitdem du mir den Beweis gegeben hast, daß du ein Geschöpf von unbegrenzten Möglichkeiten bist, fühle ich bei jedem Atemzug den Schreck in den Gliedern, dich zu verlieren!
    Kadidja
    Und dabei beklagst du dich noch, daß es dir an geistiger Anregung fehlt!
    Buridan
    Ich bedanke mich für derartige Anregung! Ich habe nicht zwanzig Jahre um meine persönliche Freiheit gekämpft, um mein Dasein in Angst und Entsetzen zu verbringen!
    Kadidja
    Wenn dich

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