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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Wahrheit – heilig nennst!
    FRANZISKA.
    Verkünd' uns nur, eh' du dich heiser bellst,
    Die Lügen erst, die du für Wahrheit hältst!
    DER SCHWEINEKOPF
grunzt, darauf zu Gislind.
    Mir verekelt die Beschauung
    Deiner Nacktheit die Verdauung!
    Schmutz hält warm, ist treu und ehrlich.
    Nacktheit macht gemeingefährlich.
    Nacktheit lockt die Pest herbei,
    Nacktheit treibt zur Raserei.
    Wenn du nackt zur Schau dich stellst,
    Lästerst du die Schöpfung Gottes
    Durch die Krönung deines Spottes,
    Daß du nackt für heilig hältst!
    GISLIND
zu Franziska hinüberrufend.
    Hilf, Schwester, mir, dem Drachen zu entfliehn.
    Ich stehe ungeschützt, drum fürcht' ich ihn.
    DAS KIND
vor Gislind kniend.
    Ich kann dem bösen Hundeschwein nicht glauben.
    Dich, Schöne, Reine, soll mir niemand rauben!
    Der Herzog tritt in Ritterrüstung mit blankem Schwert aus dem Wald.
    HERZOG
zum Publikum.
    Der heilige Georg bin ich, entflammt,
    Die Welt von Ungeheuern zu befreien,
    Dem Schwachen meines Schwertes Schutz zu leihen.
    Die hohe Obrigkeit jedoch verdammt
    Den Kampf. Aus Angst, daß Aberwitz und Zoten
    Aussterben könnten, hat sie ihn verboten.
    Wer eines Drachens Sieger worden,
    Den straft der Ordensgeneral
    Dafür, daß er des Volkes Qual
    Gemildert, mit Ausstoßung aus dem Orden.
    Doch da ich Sankt Georg, der Ritter bin,
    Kämpf' ich nach Gottes und nach meinem Sinn!
    DER HUNDEKOPF
nach wildem Gebell.
    Du führst deinen Adelstitel auf Borg.
    Nicht du, sondern ich bin der heilige Georg!
    DER SCHWEINEKOPF
nach wütendem Grunzen.
    Du Teufel kommst her, dich hier zu beweiben,
    Mit deinen zwei Hexen Unzucht zu treiben!
    HERZOG
reicht Franziska die Hand und geleitet sie zu Gislind hinüber.
    Du Holde, nimm dich treu der Schwester an.
    In jenes Land führ' sie mit kundigen Schritten,
    In dem ihr hochgeehrt und gern gelitten.
    Von diesem Gauch wird euch kein Leid getan.
    Franziska, Gislind und das Kind treten in den Wald zurück.
    HERZOG
zum Drachen.
    Du Schweinehund! – Wie einst im Paradiese
    Nacktheit geehrt war, ehrt sie hier das Kind.
    Und Menschen, die von Gott begnadet sind
    Mit Gaben, die ich dir vergeblich priese,
    Mit Einklang, Bildung, Friede, Seelengröße,
    Verehren Gott in seiner Schöpfung Blöße.
    Nur du, dir selbst der widerlichste Spott,
    Durch Ungehorsam gegen dich und Gott
    In gift'ge Zwietracht mit dir selbst geraten,
    Du Hundsfott, Schweinehund und Teufelsbraten,
    Willst uns das Heiligenbild, zu dem wir beten,
    Aus Dummheit, Roheit, Neid zu Schmutz zertreten!
    DER HUNDEKOPF
stößt ein wütendes Gebell aus und sprich.
    Die Hexen mit ihrem Höllengebräu
    Werd' ich hindern, ihr Gift zu verspritzen!
    Zu mir fleht die Menschheit mit Jammergeschrei,
    Sie vor Tod und Verderben zu schützen.
    HERZOG.
    Den Mut vor Hunden muß die Wahrheit dämpfen.
    Denn wer kein süßres Labsal kennt
    Als seines Herren Exkrement,
    Mit dem läßt sich nicht um die Wahrheit kämpfen.
    Der Nacktheit denk' ich strengstens einzuschärfen:
    Du sollst deine Nacktheit nicht vor die Säue werfen!
    DER SCHWEINEKOPF
stößt ein wüstes Gegrunze aus und spricht.
    O Scheußlichkeit, von keinem Hirn zu fassen,
    Daß ich mich soll als Schwein beschimpfen lassen!
    HERZOG.
    Bei Gott, mir steht es nicht ritterlich an,
    Mit Worten Euch zu bekehren,
    Denn wer die Nacktheit nicht sehen kann ,
    Der kann auch die Wahrheit nicht hören .
    Dem Kinde mag die Nacktheit heiliger sein.
    Für Wahrheit setzt der Mann sein Leben ein!
    Dem Schwert gereicht es nicht zur Freude.
    Zu plump ist's gegen den dickhäutigen Molch.
    Doch diesen spitzgeschliffenen starren Dolch,
    Den bohr' ich tödlich dir ins Eingeweide!
    Der Herzog dringt mit dem Dolch auf den Drachen ein. Es folgt ein längerer Kampf. – Der Rotenburger
    Polizeipräsident, in schwarzem Gehrock, ein Kettchen mit Orden auf der Brust, tritt rasch aus dem Wald.
    POLIZEIPRÄSIDENT
zum Herzog.
    Lassen Sie augenblicklich den Vorhang fallen! Ich verbiete Ihnen, weiterzuspielen!
    HERZOG.
    Mensch, wo haben Sie Ihr Kostüm? Als Ordensmeister des Johanniterordens auf Rhodus treten Sie auf! Da kommen Sie mit den paar lumpigen Orden! Krämpfe kriegt man!
    POLIZEIPRÄSIDENT
rot vor Zorn.
    Ich verbitte mir den Ton! Ein Wort noch und ich verhafte Sie!
    HERZOG.
    Aber in Versen, mein Lieber! In Versen! Sie sollen mich in Versen verhaften! Mein Stück ist in Versen geschrieben. Haben Sie das vollständig vergessen?!
(Zum Drachen.)
Sein Ausdruck ist bewundernswürdig! Da arbeite ich mich auf den Proben tagelang vergeblich mit dem

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