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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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haben. Wie erklärt das eure Geheime Heilige Schrift?
    FRANZISKA.
    Weiter Blick und gutes Gedächtnis ist alles.
    HERZOG.
    Das ist sehr wenig.
    FRANZISKA.
    Das wenige gibt Friede, gibt Beständigkeit.
    HERZOG.
    Beides fehlt mir. Wie kommt das? Mein Leben ist Streit, Wankelmut …
    FRANZISKA.
    Enger Blick. Kurzes Gedächtnis.
    HERZOG.
    Du nimmst kein Blatt vor den Mund.
    FRANZISKA.
    Du auch nicht.
    HERZOG.
    Was preist eure Geheime Heilige Schrift als gut?
    FRANZISKA.
    Klug, stark, fein.
    HERZOG.
    Was schilt sie schlecht?
    FRANZISKA.
    Dumm, schwach, roh.
    HERZOG
unruhig.
    Ich höre nicht gut. Willst du dich nicht zu mir setzen?
    FRANZISKA.
    Ehe du dich erhebst, bin ich verschwunden.
    HERZOG.
    Kannst du tanzen?
    FRANZISKA.
    Seliwanow gibt den Gottmenschen alle Gewalt der Erde. Wir tanzen, wir geißeln uns, um ihn zur Rückkehr in sein Reich zu ermuntern.
    HERZOG.
    Kannst du mir sagen, warum die Gotteslehre die menschliche Nacktheit verabscheut?
    FRANZISKA.
    Weil die Kirche die Betätigung der Gottheit in der Zeugung lehrt. Deshalb bekämpft die Kirche jede Entweihung der Nacktheit. Der allergeringste Mißbrauch der Nacktheit ist Teufelsdienst.
    HERZOG.
    Noch eines aus eurer Geheimen Heiligen Schrift: Menschenliebe oder Wahrheitsliebe, was steht höher?
    FRANZISKA.
    Wahrheitsliebe ist das Höchste.
    HERZOG.
    Warum steht Wahrheitsliebe höher als Menschenliebe?
    FRANZISKA.
    Weil die Liebe zur Wahrheit die Liebe zur Menschheit in sich schließt.
    HERZOG.
    Ich liebe die Menschen mehr als die Wahrheit.
    FRANZISKA.
    Wer die Menschen mehr liebt als die Wahrheit, muß die Wahrheit hassen. Sich und seinen Brüdern zum Trost ersinnt er zum alten Aberglauben neue verderbliche Lügen.
    HERZOG.
    Wem bringt die Wahrheit Glück?
    FRANZISKA.
    Lange bevor du zur Lösung der göttlichen Fragen gelangst, erkennst du die Liebe zu den Menschen als unentbehrlichsten Grundstein.
    HERZOG.
    Nenn' mir deinen Namen.
    FRANZISKA.
    Ich bin ohne Namen.
    HERZOG.
    Wann sehe ich dich wieder?
    FRANZISKA.
    Nie.
    HERZOG
nach ihrer Hand greifend.
    Dann behalte ich dich hier.
    Franziska verschwindet.
    HERZOG.
    Ob ich diesen Zwittergeist nicht doch noch als Fleisch und Blut kennen lerne! –
(Ab.)
Dritte Szene
    Veit Kunz. Franziska.
    Veit Kunz ganz in schwarzem Trikot, den Kopf in einer schwarzen Kapuze mit Augenlöchern, huscht im Hintergrund aus den schwarzen Vorhängen und dreht die Schreibtischlampe auf.
    VEIT KUNZ.
    Wir sind allein, min Jung!
    FRANZISKA
aus der Seitenwand tretend.
    Bedenkst du denn gar nicht, daß wir für den ungeheuerlichen Unfug, den wir hier treiben, auf zehn Jahre ins Gefängnis kommen können?
    VEIT KUNZ
zieht die Kapuze vom Kopf und wirft sich in einen Sessel.
    Fürs Gefängnis sind wir beide doch längst reif.
    FRANZISKA.
    Du sicherlich! Ich doch nicht!
    VEIT KUNZ.
    Hast du dich etwa nicht gegen das Gesetz vergangen, um deine Mitwirkung bei diesem Gastspiel zu ermöglichen?
    FRANZISKA.
    Ich habe geturnt, ich habe geschwommen, ich bin geritten, ich habe Tararabumdieh getanzt. Einem jungen Mädchen wird das doch wohl erlaubt sein! Aber hast du gehört, daß meine Brüder zu Hause ein Entmündigungsverfahren gegen mich eingeleitet haben? Sie wollen mich für unzurechnungsfähig erklären und mich unter Vormundschaft stellen lassen.
    VEIT KUNZ.
    Was kümmert uns das! Deine Kapitalien sind vor allen Gerichten der Welt in Sicherheit. Aber hast du gehört, daß dein früherer Geliebter, der Dr. Hofmiller, am Matterhorn tödlich verunglückt ist?
    FRANZISKA.
    Warum erzählst du mir das?
    VEIT KUNZ.
    Warum erzählst du mir die Eseleien deiner Brüder? – Wir stehen hier im Mittelpunkt einer europäischen Staatsaktion und du versinkst in gefühlvolle Träumereien!
    FRANZISKA.
    Ist das ein Wunder, wenn ich längst nicht mehr weiß, worauf du mit mir ausgehst?
    VEIT KUNZ.
    Nach unserer Vereinbarung bist du heute übers Jahr meine Leibeigene. Dazu hätten wir gar keinen Vertrag zu schließen brauchen, da dir das Naturgesetz ohnehin keine andere Wahl frei läßt. Heute bin ich aber noch dein Knecht, der dir jeden Wunsch erfüllt. Diese Stellung benutze ich, um dir die besten Gelegenheiten zur möglichst ausgiebigen, möglichst vollkommenen, möglichst vielseitigen Entwicklung all deiner Veranlagungen, all deiner Begabungen zu verschaffen. Ich wünsche in dir eine Leibeigene zu bekommen, der nichts Menschenmögliches unbekannt geblieben ist.
    FRANZISKA.
    Worin erblickst du denn meine Begabungen?
    VEIT KUNZ.
    In deiner Wollust, in deiner

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