Dramen
Ich gerate außer Rand und Band. Ich werde gemeingefährlich!
FRANZISKA.
Um so wonniger für mich. – Ich bin so gekleidet, weil Helena als ganz junges Mädchen in der Unterwelt weilt, so wie sie einst von Perseus zu ihrem ersten Abenteuer nach Athen verschleppt wurde.
BREITENBACH.
Jetzt geht mir ein Licht auf! Seit drei Wochen frage ich mich schon, was der Perseus eigentlich mit dieser Höllenfahrt zu tun hat.
FRANZISKA.
Sobald Helenas spätere Schandtaten in Betracht kommen, wechsle ich doch auch das Kostüm.
BREITENBACH.
Jedenfalls haben wir uns nichts vorzuwerfen. Warum läßt er dich mit mir allein! Das ist nichts als unverschämte Prahlerei von ihm! In diesem Augenblick hat er draußen nicht das geringste zu suchen.
FRANZISKA.
Vielleicht hat ihn jemand um sein Autogramm gebeten.
BREITENBACH.
Wir spielen hier ganz einfach »Gyges und sein Ring oder wenn schon, denn schon«! Du bist die Rhodope. Welcher anständige Krieger läßt sich denn von Seinesgleichen zur Parade befehlen, ohne daß er eine Schlacht liefern darf!
FRANZISKA.
So weit hätte ich mich jedenfalls nicht entwickeln sollen!
BREITENBACH.
Entwickeln? Was heißt das?
FRANZISKA.
Ich sollte mich nach allen Richtungen möglichst weitgehend entwickeln, damit er um so mehr Anregung in mir findet. Sicherlich empfand er deine künstlerische Mitwirkung auch als Anregung.
BREITENBACH.
Anregung! – Gesunde Menschen danken ihrem Schöpfer, wenn sie von ihren Trieben nicht blindlings über den Haufen gerannt werden!
Veit Kunz im Büßerhemd, einen Strick um die Lenden, tritt hastig ein.
VEIT KUNZ.
Du bist noch nicht umgekleidet, Franziska?! Die Pause ist gleich zu Ende!
BREITENBACH.
Unsinn! Wir haben noch zwanzig Minuten Zeit. – Vergessen Sie nur nicht, gnädiges Fräulein, Ihr Haar in Ordnung zu bringen.
FRANZISKA.
Ich danke Ihnen.
(Sie tritt hinter einen Wandschirm.)
VEIT KUNZ.
Ich wurde da draußen ganz unversehens von einem Manager festgehalten. Der Mann hat ein unermüdliches Maulwerk. Wenn ich ihn recht verstand, will er ein eigenes Festspielhaus für meine Mysterien bauen.
BREITENBACH.
Ist es nicht eine geradezu übermenschliche Anstrengung für Sie, verehrter Meister, Ihre Haut zu gleicher Zeit als Dramatiker und als Darsteller zu Markte zu tragen?
VEIT KUNZ.
Wenn das das schlimmste wäre! – Hatten Sie heute Beifall bei den Worten:
Du Satan, hieltst uns niemals hier gefangen,
Hättst du mit meinem Kalbe nicht gepflügt …?
BREITENBACH.
…, dem unlösbaren Rätsel! Aufgegangen
Ist die Erleuchtung mir! Du bist besiegt!
Es hat jemand geklatscht. – Ich weiß nicht, verehrter Meister, ob ich Ihnen zu Dank spiele, wenn ich meinen Simson:
Er legt Veit Kunz die Hand auf die Schulter.
Den Kinnbacken vom Esel in der Hand,
Mit dem um tausend Mann ich sie geschoren! –
… wenn ich ihn als einen Gauner auffasse, der seine Stammesgenossen Adam, Noah und die drei Erzväter verächtlich über die Achsel ansieht, während er sich von Perseus, Helena und Sokrates ruhig mit der größten Geringschätzung behandeln läßt:
O Helena, aus keiner Unterwelt
Läßt Simson je sich ohne dich erlösen!
VEIT KUNZ.
Sie tun mir einen außerordentlichen Gefallen damit, mein lieber Breitenbach. Mir kam es natürlich nur darauf an, bevor die Gottheit über Satan triumphiert, das stumpfsinnig spießbürgerliche Alltagstreiben zu schildern, in dem sich die Bewohner der Hölle seit Jahrhunderten mit ihren Qualen zurechtgefunden haben.
BREITENBACH.
Genau so, verehrter Meister, war meine Auffassung:
Wer will mit einem besseren Los mich äffen,
Mit einem Blicke nach Franziska.
Dreht' ich die Mühle doch in Gaza schon!
VEIT KUNZ.
In dem Augenblick, wo die Gottheit dann ihr Wunder verrichtet und mit einem Schlage in der ganzen Hölle die seit Jahrhunderten erduldeten Leiden aufhören, in dem Augenblick. … ich weiß nicht, ob das heute richtig zur Geltung kam?
BREITENBACH
beistimmend, Veit Kunz auf die Schulter klopfend.
Satanas ist schon aufs tiefste gedemütigt. Mit hilflosem Staunen erwartet er, was aus seiner geliebten Hölle werden soll …
VEIT KUNZ.
Da … verzeihen Sie, ich weiß nicht mehr recht, was ich sagen wollte.
BREITENBACH.
Da sinkt alles umher mit betäubendem Jubelgeschrei in die Knie und will zu Licht und Seligkeit hinaufgeführt werden. Der ganze Orkus eine Rebellion:
Weltüberwinder, lenk' uns himmelan!
Weltopfer, sei gepriesen! Ewige Zeiten
Beglückt uns, was die Welt dir Leids getan!
Das war heure
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