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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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die Gerte schwangen,
    Welch köstlicher Gewinn!
    Uns Tieren, ins Joch gebogen,
    Der Menschheit angetraut,
    Uns bleibt der Mensch noch gewogen,
    Auch wenn ihm vor uns graut!
    Die Mädchen tanzen unermüdlich weiter.
    DER REGISSEUR
kommt eilig nach vorn und ruft.
    Ruhe! Ruhe! Ruhe! –
(Zu Veit Kunz.)
Die Ludersch lassen sich einfach nicht bändigen!
    FAHRSTUHL
zu Veit Kunz.
    Das ist der reine heilige Sankt Veitstanz!
(Zum Regisseur.)
Gehören denn diese Menaden nicht mit zu unserem Mysterium?
    REGISSEUR.
    Fällt ihnen gar nicht ein! Ich begreife nicht, wo sie den Tanz her haben!
    FAHRSTUHL
triumphierend.
    Tanzwut ausgebrochen! Nymphomanie! Flagellantismus!
(Er ruft.)
Ärzte! Rettungsgesellschaft! Feuerwehr!
    FRANZISKA
sinkt Breitenbach an die Brust und küßt ihn.
    Deiner Küsse, holder Buhle,
    Bin ich lange noch nicht müd.
    Lehr' mich du in strengster Schule,
    Wie der Körper Funken sprüht. –
    Dort ist ein Prophet zu sehen,
    Der sich meiner sicher fühlt.
    Hab' ihm drum im Handumdrehen
    Einen Schabernack gespielt.
    Franziska tanzt mit Breitenbach hinaus. Alle übrigen folgen bis auf Veit Kunz.
    VEIT KUNZ
allein.
    Aus! Hin! Verloren! Mein Geschöpf! Warum
    War's mein? Gab ich ihr mehr, als sie mir gab?
    Ich hohler Kahlkopf baute dreist und dumm
    Auf ein Gesetz, das Menscheneigentum
    Durch Opferfreudigkeit aus Menschen macht!
    Besitz an Menschen! Wie vernichtend hab'
    Den Torenwahn ich tausendmal verlacht!
    Doch durch Selbstlosigkeit … Veit Kunz! Au weh!
    Selbstlosigkeit heißt: vier mal vier gleich zwei
    Bei dir und andern Narren. Ich versteh'
    Mein Einmaleins genau. Ich schreie laut:
    Zwei sind's, nur ist ein Stärkerer jetzt dabei!
    Da steckt der Rechenfehler. Und man baut
    Mir ein Theater noch dafür! Tragödien,
    Komödien, endlos wiederholt, entschädigen
    Mich Jammerhelden nie. O grimmer Fluch!
    Ein halb Jahrhundert alt und nichts, was mein
    In Gottes Schöpfung! Vorher schrie entsetzlich
    Vor Armut ich! Jetzt gilt's nur den Versuch
    Noch mit dem Strick!
    Er reißt sich den Strick vom Leib.
    Schnür' mir die Kehle zu
    Enger als Höllenschmerz! Der Strick wird plötzlich
    Die klarste Lösung des Mysteriums sein!
    Er hat sich den Strick als Schlinge umgelegt.
    Die Schlinge zu, dann hast du endlich Ruh'!
    Er zieht kräftig zu und gleitet bewußtlos zu Boden. – Nach einer Pause, röchelnd.
    Entwicklung! – Heilige Zuversicht! – Die Schlinge
    An meinem Hals! – o Spott! – entwickelt sich.
    Dann wohl auch ich! Fast scheint mir, ich bezwinge
    Den Höllenschmerz, ich überlebe mich.
    Zermalmend siegt das Weiterleidenwollen.
    Sie hätt' so weit sich nicht entwickeln sollen!
    Ganz nah daran. Dann halt. Je mehr gefährdet
    Schien sie ein um so köstlicheres Gut.
    Fluch meinem Spiel! Dem Stolz! Dem Übermut!
    Als welch ein Maulheld hab' ich mich gebärdet:
    Versicherungsbeamter, Sklavenhalter,
    Gesangsmagister, Kuppler, Diplomat,
    Hanswurst, Schriftsteller, Schauspielakrobat,
    Marktschreier, Bräutigam noch in meinem Alter,
    Erpresser, Heiratsschwindler, Bauernfänger,
    Revolverjournalist und Bänkelsänger,
    Um jetzt im Überschwang von Hochgefühlen
    Als dümmster Narr den lieben Gott zu spielen!
    Nicht Unglück, Ekel nur, mit Haß gepaart,
    Kann mich, der unzerbrechlich schien, zerstückeln.
    Mag sich die Welt, so schön sie will, entwickeln!
    Ich schließe ab mit dieser Höllenfahrt!
    Er zieht die Schlinge noch einmal kräftig zu und sinkt ruckweise zusammen. Pause. Freiherr von Hohenkemnath, auf den Arm eines Livreebedienten gestützt, einen Krückstock in der Rechten, tritt ein.
    HOHENKEMNATH.
    Da ist sie nicht! – Da ist überhaupt kein Mensch! –
    Sonderbar! – Wo führen Sie mich denn hin? –
    (Veit Kunz bemerkend.)
Da – da liegt etwas.
(Bemüht sich zu einem Sessel.)
Lassen Sie mich hier nieder sitzen und sehen Sie erst einmal nach, was da liegt.
    DER DIENER
Veit Kunz betastend.
    Der ist tot.
    HOHENKEMNATH.
    Warum nicht gar! So liegt kein Toter. Schauen Sie nur etwas genauer nach.
    DER DIENER
Veit Kunz rüttelnd.
    Nein, Exzellenz, mit dem ist es aus. Einen Strick hat er um den Hals.
    HOHENKEMNATH.
    So, so. – Dann – dann schneiden Sie den Strick durch.
(Rückt mit dem Stuhl näher und reicht dem Diener sein Taschenmesser.)
Hier haben Sie ein Messer. Vielleicht geht es am besten mit dem Sektöffner.
(Veit Kunz betrachtend.)
Ist das nicht? – Das ist doch der Darsteller, der die Hauptrolle agiert. Der nimmt seine Rollen aber ernst!
    DER DIENER
hat den Strick durchschnitten.
    Es ist wahr,

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