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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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angelangt gewesen wäre.
    FRANZISKA.
    Bist du verstimmt?
    VEIT KUNZ.
    Im Gegenteil! Es fiel mir nur eben ein Gleichnis dafür ein, worin denn eigentlich die Bedeutung aller Kunst besteht.
    BREITENBACH.
    Nun, verehrter Meister? Ich bin aufs äußerste gespannt!
    FAHRSTUHL.
    Einen Augenblick!
(In seinem Notizbuch blätternd.)
Dazu brauche ich eine neue Seite. Meine Zeitung druckt ein Feuilleton darüber.
    VEIT KUNZ.
    Kunst ist der Spiegel, in dem der Mensch seine Lebensfreude betrachtet. Denn solange ihm das Leben nur Unannehmlichkeiten bringt, hat er keine Zeit und keine Lust, in den Spiegel zu sehen.
    FAHRSTUHL
schreibend.
    Das stimmt. Davon kann ich ein Liedchen singen.
    FRANZISKA.
    Und weiter?
    VEIT KUNZ.
    Nun wirkt aber der Spiegel belebend und anregend auf den zurück, der sich darin spiegelt, da der Glückliche nicht nur die Freude, die er selber empfindet, sondern obendrein auch den Anblick des Spiegelbildes seiner Freude genießt. Dadurch wird nun aber auch das Spiegelbild wieder um ebensoviel belebter und angeregter. Und so feuern und spornen sich die beiden, Mensch und Spiegelbild, gegenseitig zu immer wilderem Genießen an, bis …
    BREITENBACH.
    Bis der Mensch seinem eigenen Spiegelbild ins Gesicht speien möchte.
    FRANZISKA.
    Oder bis er vor seinem Spiegelbild behaglich einschläft.
    FAHRSTUHL.
    Oder bis die hohe Obrigkeit kommt und den Spiegel in tausend Scherben schlägt! Punktum! Schluß! Meine Zeitung bezahlt mir drei Pfennige mehr für die Zeile. Aber was ist das für ein dumpfes Donnergepolter? Das tönt ja, weiß Gott, wie wenn im Herbst die Kartoffeln in den Keller hinunterkollern.
    FRANZISKA.
    Das ist der Chor der Schatten. Da jeden Abend einige Neulinge dabei sind, muß der Chor vor Beginn des Spieles immer noch einmal besonders eingeübt werden.
    Ein Regisseur, einen Taktstock schwingend, tritt rückwärts schreitend von der einen Seite auf. Ihm folgt ein Zug in graue Schleier gehüllter Mädchen.
    Der Zug bewegt sich langsam quer durch den Raum und geht nach der entgegengesetzten Seite ab.
    REGISSEUR.
    Links, zwei, drei! Rechts, zwei, drei! Links, zwei, drei! Rechts!
    DIE MÄDCHEN
singen.
    Unter regenschweren Weiden,
    Von schaurigem Nebel umwallt,
    Ohne Taten, ohne Freuden,
    Von Kindheit auf müd und alt,
    Soweit das Erinnern streift,
    Der Menschheit fremd,
    Rasch verbraucht, nie gereift,
    Zwischen Pflicht und Not geklemmt,
    Abgesperrt vom berauschenden Licht,
    In der eignen Finsternis blind –
    Das glückliche Weltall darf uns nicht
    Schauen, wie wir sind.
    Erst halb verhüllt, dann ganz verhüllt,
    Schleichen wir bang einher.
    Kindheitshoffen blieb unerfüllt,
    Kopf und Brust sind leer.
    Durch Schmeicheln gewonnen,
    Umwedelt, getäuscht.
    Und eh' wir entronnen,
    Schon sind wir zerfleischt.
    Denn der Herr mit dem finstern Blick,
    Grimmerfüllt, von wildem Gebaren,
    Ungelenkig, mit wirren Haaren,
    Gibt uns nicht mehr der Welt zurück. –
    Oder dann aufs Blut gequält,
    Mit bellendem Magen,
    Weil Trank und Speise fehlt,
    Selbst unsere Mörder erjagen? –
    Ohn' ein Wissen, von wo wir kamen,
    Ohn' ein Ahnen, wohin's uns treibt,
    Ohne Sprache und ohne Namen.
    Sag' ein Gott, wo ein Ausweg bleibt!
    Ewig schreckt uns des Hades Flut
    Durch Zähneklappen und Stöhnen. –
    Aber trinken wir einmal Blut,
    Dann sind wir die mächtigen Schönen!
    Lauter.
    Aber trinken wir einmal Blut,
    Dann sind wir die mächtigen Schönen!
    FAHRSTUHL.
    Jammerschade, verehrter Meister, daß man von den Reizen der mitwirkenden Damen so blutwenig zu sehen bekommt. Sie müßten das notwendig ändern!
    VEIT KUNZ.
    Wenn es dir recht ist, Franziska, dann sprechen wir, bevor der Vorhang aufgeht, rasch unsern großen Dialog noch einmal durch.
    FRANZISKA.
    Mit Vergnügen, wenn du es für nötig hältst.
    Sie stellen sich einander gegenüber.
    VEIT KUNZ.
    Wir beginnen an der Stelle, wo im Publikum regelmäßig der sarkastische Widerspruch einsetzt.
    FRANZISKA.
    Mir ist jede Stelle recht.
    VEIT KUNZ.
    Ich muß die Macht für größeres mir bewahren.
    Doch steigt herab und hebt zum Himmel dich
    Vielleicht ein Andrer in zweitausend Jahren.
    FRANZISKA.
    Weißt du, daß mein Geschick dem deinen glich,
    Daß wir, obwohl getrennt durch Ewigkeiten,
    Denselben Weg genommen, du und ich?
    VEIT KUNZ.
    Um eitles Nichts laß uns nicht länger streiten:
    Mir fehlt der Wunsch, dir fehlt für mich der Glaube.
    Ich kann die Heidin nicht zum Licht geleiten!
    FRANZISKA.
    Der Schwan ein Greuel, ein Idol die Taube!
    Tyndareos, meiner Mutter Gatte,

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