Dramen
schrecken vor keiner Schandtat zurück. – Sie wollen das Mädchen, das Sie liebt, mit der größten Kaltblütigkeit unglücklich machen. – Sie erobern die halbe Welt. – Sie tun, was Sie wollen – und Sie wissen so gut ,wie ich – daß…
Schön
ist völlig erschöpft auf den Sessel links neben dem Mitteltisch zusammengesunken
Schweig!
Lulu
Daß Sie zu schwach sind – um sich von mir loszureißen…
Schön
stöhnend
Oh! Oh! Du tust mir weh!
Lulu
Mir tut dieser Augenblick wohl – ich kann nicht sagen, wie!
Schön
Mein Alter! Meine Welt!
Lulu
Er weint wie ein Kind – der furchtbare Gewaltmensch! Jetzt gehen Sie so zu Ihrer Braut und erzählen Sie ihr, was ich für eine Seele von einem Mädchen bin – keine Spur eifersüchtig!
Schön
schluchzend
Das Kind! Das schuldlose Kind!
Lulu
Wie kann der eingefleischte Teufel plötzlich so weich werden? – – Jetzt gehen Sie aber bitte. Jetzt sind Sie nichts mehr für mich.
Schön
Ich kann nicht zu ihr.
Lulu
Hinaus mit Ihnen! Kommen Sie zu mir zurück, wenn Sie wieder zu Kräften gelangt sind.
Schön
Sag' mir um Gottes willen, was ich tun soll.
Lulu
erhebt sich; ihr Mantel bleibt auf dem Sessel. Auf dem Mitteltisch die Kostüme beiseiteschiebend
Hier ist Briefpapier…
Schön
Ich kann nicht schreiben…
Lulu
aufrecht hinter ihm stehend, auf die Lehne seines Sessels gestützt
Schreiben Sie! – Sehr geehrtes Fräulein…
Schön
zögernd
Ich nenne Sie Adelheid…
Lulu
mit Nachdruck
Sehr geehrtes Fräulein…
Schön
schreibend
– Mein Todesurteil!
Lulu
Nehmen Sie Ihr Wort zurück. Ich kann es mit meinem Gewissen –
(da Schön die Feder absetzt und ihr einen flehentlichen Blick zuwirft)
Schreiben Sie Gewissen! – nicht vereinbaren, Sie an mein unseliges Los zu fesseln…
Schön
schreibend
Du hast recht. – Du hast recht.
Lulu
Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Ihrer Liebe –
(da sich Schön wieder zurückwendet)
Schreiben Sie Liebe! – unwürdig bin. Diese Zeilen sind Ihnen der Beweis. Seit drei Jahren versuche ich mich loszureißen; ich habe die Kraft nicht. Ich schreibe Ihnen an der Seite der Frau, die mich beherrscht. – Vergessen Sie mich. – Doktor Ludwig Schön.
Schön
aufächzend
O Gott!
Lulu
halb erschrocken
Ja kein »O Gott!« –
(Mit Nachdruck)
Doktor Ludwig Schön. – Postskriptum: Versuchen Sie nicht, mich zu retten.
Schön
nachdem er zu Ende geschrieben, in sich zusammenbrechend
Jetzt – kommt die – Hinrichtung…
Vierter Aufzug
Prachtvoller Saal in deutscher Renaissance mit schwerem Plafond in geschnitztem Eichenholz. Die Wände bis zur halben Höhe in dunklen Holzskulpturen. Darüber an beiden Seiten verblaßte Gobelins. Nach hinten oben ist der Saal durch eine verhängte Galerie abgeschlossen, von der links eine monumentale Treppe bis zur halben Tiefe der Bühne herabführt. In der Mitte unter der Galerie die Eingangstür mit gewundenen Säulen und Frontispiz. An der rechten Seitenwand ein geräumiger hoher Kamin. Weiter vorn ein Balkonfenster mit geschlossenen schweren Gardinen. An der linken Seitenwand vor dem Treppenfuße eine geschlossene Portiere in Genueser Samt.
Vor dem Kamin steht als Schirm eine chinesische Klappwand. Vor dem Fußpfeiler des freien Treppengeländers auf einer dekorativen Staffelei Lulus Bild als Pierrot in antiquisiertem Goldrahmen. Links vorn eine breite Ottomane, rechts davor ein Fauteuil. In der Mitte des Saales ein vierkantiger Tisch mit schwerer Decke, um den drei hochlehnige Polstersessel stehen. Auf dem Tisch steht ein weißes Bukett.
Erster Auftritt
Schön. Lulu. Gräfin Geschwitz.
Geschwitz
auf der Ottomane, in pelzbesetzter Husaren-Taille, hoher Stehkragen, riesige Manschettenknöpfe, Schleier vor dem Gesicht, die Hände krampfhaft im Muff; zu Lulu
Sie glauben nicht, wie ich mich darauf freue, Sie auf unserem Künstlerinnenball zu sehen.
Schön
links vorn
Sollte denn für unsereinen gar keine Möglichkeit bestehen, sich einzuschmuggeln?
Geschwitz
Es wäre Hochverrat, wenn jemand von uns einer solchen Intrige Vorschub leistete.
Schön
geht hinter der Ottomane durch zum Mitteltisch.
Die prachtvollen Blumen.
Lulu
im Fauteuil, in großblumigem Morgenkleid, das Haar in schlichtem Knoten in goldener Spange
Die hat mir Fräulein von Geschwitz gebracht.
Geschwitz
O bitte. – Sie werden sich doch jedenfalls als Herr kostümieren?
Lulu
Glauben Sie denn, daß mich das kleidet?
Geschwitz
auf das Bild deutend
Hier sind Sie wie ein
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